Interview mit Stefan Ewald. | „Marktexposures effizient steuern“
Stefan Ewald leitet den Bereich Multi Assets & Liquid Alternatives Solutions bei der Warburg Invest Kapitalanlagegesellschaft. Er erläutert im Gespräch, welche Rolle ETFs im Asset Management spielen.
Die Warburg-Gruppe hat ja vor Kurzem Teile von Warburg Invest verkauft. Können Sie zunächst kurz erklären, welche strategische Ausrichtung damit verfolgt wird?
Nach den negativen Irritationen wegen der Cum-ex-Affäre ging es darum, sich wieder auf Kernkompetenzen zu fokussieren, dort transparenter, schlanker und schlagkräftiger zu werden. Warburg Invest umfasste bislang zwei Unternehmen: Warburg Invest GmbH in Hamburg und Warburg Invest AG in Hannover. Letztere war die ehemalige KVG der NordLB und spezialisiert auf Administrationsdienstleistung. Diese ist nun an die Züricher Bantleon verkauft worden. Die Warburg-Gruppe konzentriert damit ihre Aktivitäten im institutionellen Asset Management auf die Warburg Invest KAG mbH mit Sitz in Hamburg, die Publikums- und Spezialfonds anbietet.
Dazu gehört die Abteilung Multi Asset Solutions, die Sie leiten. Multi Asset ist klar, aber was verbirgt sich hinter Solutions?
Unsere Abteilung ist in der Tat neu. Wir haben unsere Tätigkeit erst Ende 2022 aufgenommen. In dem Team wird der Fokus auf regulatorisch optimierte Kapitalanlagen, liquide alternative Strategien und Multi-Asset-Lösungen mit Wertsicherungskomponenten liegen. Wir arbeiten prognosefrei und steuern unsere Bausteine so, dass wir Stress-phasen besser meistern. Risikovorgaben der Kunden werden so effizient genutzt.
Dann nähern wir uns dem Einsatz von ETFs. Wie nutzen Sie diese?
Für uns sind ETFs ein sehr effizienter Weg, Marktexposure zu steuern. Wir können die Risikoprämien, die wir für einen gewissen Markt erwarten, einfach abgreifen. Dazu gehören auch Aktien der Industrieländer und der Emerging Markets, sowie die gesamte Rentenwelt. ETFs sind immer breit diversifiziert und liquide. Mit ihnen können wir auch kleinere Portfolios effizient aufbauen, wobei klein für uns Portfolios unter 30 Millionen Euro sind.
Wie groß ist der Anteil von ETFs? Wann investieren Sie direkt?
Der Anteil schwankt, je nachdem welche Vorgaben unsere institutionellen Kunden haben. Manche schließen ETFs generell aus, weil sie das Prinzip der Durchschaubarkeit besonders hochhalten. Andere Portfolios bestehen zum größten Teil aus ETFs, weil man mit ihnen sehr schnell verschiedene Regionen abgreifen kann. Generell kann man sagen: Je spezieller die Vorgaben, desto geringer der Anteil an ETFs.
Wie wählen Sie die ETFs aus? Es gibt ja für einzelne Märkte oft mehrere Indizes und auch verschiedene Anbieter.
Dabei unterscheiden wir uns nur in Nuancen von der üblichen Vorgehensweise. Der wichtigste Punkt ist natürlich die Auswahl des Index. Dann geht es um das Mindestvolumen der ETFs. Wir brauchen mindestens 100 Millionen Euro, sonst könnte es regulatorisch bedingte Grenzen geben. Wir verfolgen das Konzept der Total Cost of Ownership, zu dem nicht nur die Performance des ETFs gehört, sondern auch zu welchen Kosten wir ein- und wieder aussteigen können. Dazu lassen wir uns immer Quotes der Börsen, aber auch unabhängiger Market Maker geben. Die Abbildungsqualität der einzelnen ETFs vergleichen wir mit einem Scoring-Modell. Schließlich gelten für unsere Kunden gewisse Reporting-Anforderungen. Da sind wir auf die Zusammenarbeit mit den ETF-Anbietern angewiesen, und wer hier allen Anforderungen gerecht wird, erhält am Ende den Auftrag.
Ein wichtiges Kriterium ist auch in der institutionellen Welt die Nachhaltigkeit. Wie verfahren Sie damit?
In der Tat wollen dies inzwischen viele Kunden im Portfolio haben und sei es nur als eine Art Hygienefaktor. Darauf stellen wir uns ein. Warburg Invest hat dazu ein eigenes ESG-Office, mit dessen Hilfe wir die Kunden detailliert beraten und regulatorische Risiken minimieren können. Wir haben eine große Spannbreite an Kunden. Wir müssen genau schauen, ob wir ESG-ETFs einsetzen können oder ob der Kunde besser mit direkten Investments klarkommt.
Es gibt auch Strategie-ETFs, auch als Smart Beta bekannt. Solche Fonds verfolgen bestimmte Konzepte, zum Beispiel Minimum-Varianz oder Low Volatility. Nutzen Sie so etwas?
Nein, wir bleiben bei Plain Vanilla. Wir generieren den Mehrwert über dynamische Allokationen und können diese mit den transparenten ETFs in der Regel auch direkt abgreifen.
Sehr gut gelaufen sind zeitweise Themen-ETFs, zum Beispiel Cyber Security oder Global Water. Greifen Sie dort zu?
Für unsere Multi-Asset-Welt spielen Themen-ETFs ebenfalls keine Rolle. Für uns ist entscheidend, welches Risikobudget der Kunde zur Verfügung stellt, wieviel er maximal bereit ist zu verlieren und wie seine Ertragserwartungen sind. In diskretionären Mandaten, die ich auch gemanagt habe, sieht das natürlich anders aus.
Damit sind wir auch schon beim Risikomanagement. Wie gestalten sie dies?
Das hängt auch wieder von den Kunden ab. Manche arbeiten mit Wertuntergrenzen, die wir einhalten sollen. Aber wir wollen das Risikobudget möglichst effizient nutzen. Und das bedeutet, dass es nicht hilft, wenn man mit angezogener Handbremse eine neue Aufwärtsbewegung verpasst. Wenn wir, wie 2020 geschehen, den Investitionsgrad deutlich verringern, aber dann die Gegenbewegung nicht mitmachen, sind die Kunden auch unzufrieden. Man muss Wertsicherung und aktive Portfolioallokation sorgfältig kalibrieren. Dazu beraten wir die Kunden.
Was bedeutet das konkret?
Wir agieren regelbasiert und wissen zu jedem Zeitpunkt, ob wir Risiken reduzieren müssen oder Gas geben sollten. Müssen wir reduzieren, erhöhen wir den Cashanteil, läuft der Markt wieder besser, nutzen wir Cash zum Aufbau neuer Positionen.
Wie ist das bei Ihnen 2022 gelaufen?
Natürlich haben wir in diesem schwierigen Jahr die Investitionsquoten mehrfach reduziert, aber auch Gegenbewegungen wie im Sommer oder die Rallye zum Jahresende gut genutzt, weil wir genügend Mittel zur Investition zur Verfügung hatten. So ist unser Portfolio zwar auch nach unten gelaufen, aber deutlich gedämpfter im Vergleich zum Markt.
Wie sind die Erwartungen 2023?
Wie schon gesagt, wir arbeiten prognosefrei. Wir richten uns dynamisch am Marktumfeld aus. Wenn es das Umfeld zulässt, stellen wir uns offensiver auf, wenn Stress aufkommt, wenn die Volatilität anspringt, agieren wir defensiver. Anfang des Jahres haben wir die Rallye so gut genutzt und sind jetzt wieder eher neutral aufgestellt.