Interview mit Karl Dettmer und Stefan Keil. | „Passive Investments aktiv gemanagt“
Die Braunschweigische Landessparkasse setzt auf aktives Management. Karl Dettmer und Stefan Keil, für „Investment Consulting & Advisory“ zuständig, erläutern, wie dieser Anspruch mit Hilfe von ETFs verwirklicht wird, und sie geben einen Ausblick auf das Jahr 2023.
Braunschweigische Landessparkasse – das klingt irgendwie übergeordnet. Welche Funktion erfüllen Sie im Sparkassen-Verbund?
Dettmer: Grundsätzlich sind wir eine ganz normale Sparkasse im sogenannten alten Braunschweigischen Land. Wir sind im Wesentlichen in fünf Landkreisen tätig. Aber im Unterschied zu den meisten Sparkassen sind wir nicht in einer kommunalen Trägerschaft, sondern gehören zu einer Landesbank, der NORD / LB.
Keil: Dadurch, dass wir eine Landesbank im Hintergrund haben, sind wir nicht nur in dieser Region tätig, sondern betreuen auch Kunden der Landesbank, also größere Unternehmen, kommunale Einrichtungen oder Stiftungen. Wir haben eigene Investmentfonds aufgelegt, die wir auch anderen Sparkassen zum Vertrieb anbieten.
Was umfasst Ihr Private Banking, bezogen auf Kunden und Leistungen?
Dettmer: Das Private Banking steht im Prinzip allen Kundengruppen offen, sofern sie ein entsprechendes Volumen mitbringen. Das können also Firmenkunden genau wie klassische Privatkunden sein. Das Leistungsangebot ist umfassend: klassische Anlageberatung, Vermögensoptimierung, Immobilienmanagement sowie Finanz- und Nachfolgeplanung. Insgesamt betreuen wir 4,2 Milliarden Euro Assets under Management.
Verfolgen Sie dazu eine übergeordnete Anlagephilosophie?
Keil: Es klingt ziemlich strapaziert, aber es stimmt: Die Kunden und ihre Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt. Natürlich unterscheiden sich kommunale Einrichtungen und private Kunden in vielfacher Hinsicht. Wir ermitteln die Risikotragfähigkeit und erarbeiten dann zusammen mit dem Kunden eine vernünftige Portfoliolösung. Dazu nehmen wir uns Zeit. Das ist mehr wert, als dem Kunden irgendein Produkt anzubieten.
Welche Rolle spielen ETFs in diesen Portfoliolösungen?
Dettmer: Eine sehr wichtige. Wir sind überzeugt, dass selbst für große Vermögen der Einsatz von ETFs sinnvoll sein kann, sofern er aktiv bewirtschaftet wird. Unser Kernangebot dazu ist das ETF+-Portfolio, das wir mit dem Kunden zusammen managen. Hierbei berücksichtigen wir sowohl Aktien- als auch Renten-ETFs. Darüber hinaus gibt es natürlich auch die konzerneigene Vermögensverwaltung, in der nach bestimmten Vorgaben die Entscheidungen getroffen werden.
Wenn Sie eigene Investmentfonds haben, sind darin auch ETFs vertreten?
Keil: Die Antwort ist eindeutig: Jein. Unser Ansatz ist das Direktinvestment, mit dem wir genau das bekommen, was wir haben wollen. Auf der Aktienseite nutzen wir zu einem kleinen Prozentsatz auch mal passive Anlagen, um Liquiditätsflüsse schneller abbilden zu können. Fließt Geld zu, kann es erst einmal in ETFs geparkt werden, bevor es in ein konkretes Zielinvestment geht. Auch können Veränderungen bei einzelnen Anlageklassen schneller vorgenommen werden.
Wie wählen Sie ETFs im Einzelnen aus? Es gibt ja die Frage der Märkte und der ETF-Anbieter, die sich voneinander unterscheiden können.
Keil: Zunächst der Blick auf die Rentenseite: Dort versuchen wir ETFs mit einer möglichst sauberen Marktabbildung einzusetzen, um den Rentenanteil in den Portfolios aktiv zu bewirtschaften. Ausgangspunkt ist, dass viele Privatanleger bei der Investition in verzinsliche Anlagen inzwischen Beschränkungen unterliegen, zum Beispiel bei Anleihen mit Sonderkündigungsrecht. Hier bieten sich Renten-ETFs an. Es geht sowohl um unterschiedliche Durationsbänder als auch um die Anlagekategorien wie Staatsanleihen, Pfandbriefe und Unternehmensanleihen. Aktives Durations- und Spreadmanagement ist gefordert, das dem Kunden einen Mehrwert liefert. Wichtig ist, dass wir immer physisch replizierende ETFs wählen.
Und wie sieht es auf der Aktienseite aus?
Dettmer: Auch hier wählen wir die volle Replikation. Grundsätzlich soll ein Index möglichst gut abgebildet werden, also einen geringen Tracking Error aufweisen. Zusätzlich ist bereits seit 2013 Nachhaltigkeit für uns bei der Konzeption von Investmentlösungen ein wichtiges Element. Auch im ETF+-Portfolio suchen wir dafür die passenden Zielinvestments. Das ist oft nicht leicht, auf der Renten- wie auch auf der Aktienseite. Zum Beispiel haben wir uns recht schwergetan, einen nachhaltigen Nasdaq-100-ETF zu finden, der voll replizierend ist. Zugestanden, manchmal muss man da noch Kompromisse eingehen. Durch die Darstellung der Nachhaltigkeit im ETF mit physischer Replikation und hoher Abbildungsgüte können wir generell aber auch hier eine gute Umsetzung unserer Zielallokation erreichen.
Wenn Nachhaltigkeit für Sie so wichtig ist, ist die das auch für Ihre Kunden?
Dettmer: Herr Keil und ich führen häufig tiefgehende Gespräche mit Investoren, wo Nachhaltigkeit hinterfragt und gleichzeitig der Fokus auf die Rendite gelegt wird. Wir machen dann in den Gesprächen klar, dass es nicht nur um Umweltfragen, sondern auch um soziale Themen und verantwortungsvolle Unternehmensführung geht. Wir legen dar, dass Nachhaltigkeit nicht zwangsläufig die Rendite schmälert, sogar langfristig die Stabilität fördert. Dazu investieren wir viel Zeit und wir haben den Eindruck, dass dies immer stärker in den Köpfen der Investoren ankommt.
Nutzen Sie Strategie-ETFs, auch als Smart Beta bekannt, zum Beispiel Fonds mit dem Merkmal Low Volatility?
Dettmer: Wir setzen solche Themen nicht ein, sondern wir wollen die Märkte direkt abbilden. Wir streben ein strategisches Basisinvestment an. So können wir Trends besser verfolgen und auch konträr agieren, wenn es passt.
Wer aktiv bewirtschaftet, muss auch Risikomanagement betreiben. Wie gestalten Sie das?
Keil: Generell muss man feststellen, dass 2022 ein Jahr war, wo Diversifikation überhaupt nicht richtig funktionierte. Im Rahmen unseres aktiven Rentenmanagements verfolgen wir eine flexible Spread- und Durationssteuerung. Wir kaufen Risikopositionen, also Spreadrisiken, wenn sie mit ausreichenden Renditeaufschlägen entlohnt werden. Hinzu kommt das Durationsmanagement. In Niedrigzinsphasen sind wir eher kurzfristig, in andauernden Hochzinsphasen eher langfristig investiert. Damit können wir die konservative Seite von Vermögen ganz gut steuern. Zugestanden, 2022 hat das nicht gut funktioniert. Wir sind mit relativ geringer Duration ins Jahr gegangen, weil wir erhebliche Inflations- und Zinsängste gesehen haben. Aber auch solche Anleihen haben, zum Teil bedingt durch den Krieg in der Ukraine, erheblich gelitten. Grundsätzlich wissen wir um die Bedeutung der Anleihenseite in konservativen Portfolios. Wir legen daher ein starkes Gewicht auf das aktive Management. Das hat sich bewährt und wird sich auch in Zukunft bewähren.
Und wie machen Sie das Risikomanagement bei den Aktien? Aktive Steuerung der Investitionsquoten oder Absicherungsgeschäfte?
Dettmer: m ETF+-Portfolio, wo letztlich die Kunden mitentscheiden, nutzen wir keine Termingeschäfte. Grundsätzlich geht Strategie vor Taktik. Wir ermitteln sauber die Risikotragfähigkeit. So haben wir einen Rahmen, in dem der Kunde gelassen agieren kann. Auf der Seite der aktiven eigenen Fonds arbeiten wir mit Risikosignalen, die auf künstlicher Intelligenz basieren. Entsprechend setzen wir zum Risikomanagement auch Optionen und Futures ein. Nach unserer Erfahrung ist aus psychologischen Gründen Verkaufen relativ einfach, aber wieder Einsteigen zur richtigen Zeit mit den vernünftigen Preisen meist schwieriger.
Also 2022 ist abgehakt. Wie wird 2023? Was sind Ihre Erwartungen?
Keil: Wir hoffen vor allem, dass der Krieg in der Ukraine 2023 endet. Losgelöst davon, hoffen wir, dass sich die Inflation beruhigt und entsprechend die Notenbanken den Zyklus der Zinsanhebung nicht weitertreiben. Selbst wenn die Inflation 2023 höher ist, als sie 2019 war, sollten wir wieder ordentliche Erträge aus den Renten erzielen können. Auch sollten die Diskontierungsfaktoren der Aktien weniger, deren fundamentale Daten umso stärker beachtet werden. Das dürfte die Volatilität dämpfen. Dann sollte 2023 besser laufen als 2022.