Kolumne Dr. Bernhard Jünemann | 15 Jahre! Happy Birthday „Wertarbeit“
2008 war ein Schreckensjahr der jüngeren Kapitalmarktgeschichte. Im Zuge der Subprime-Krise, die im Jahr zuvor begann, ging die US-Investment-Bank Lehman Brothers im September 2008 insolvent und löste heftige Verwerfungen an den Märkten aus, an den Börsen aber auch bei den Banken. Nur ein halbes Jahr später trat die neugegründete Deka-Tochter ETFlab mit der Frage an mich heran, ob ich einen monatlichen Newsletter mitgestalten könnte. Er sollte die Entwicklung der ETFs begleiten, die erst im Jahre 2000 in Deutschland eingeführt worden waren. Das Angebot erschien mir reizvoll, hatte ich doch die Entwicklung der passiven Indexfonds seit 2004 bei der Zeitschrift „Börse online“ begleitet und analysiert. Ausgangspunkt und Ansporn war damals die gewagte Voraussage der Fondsstrategin Deborah Fuhr: „Indexfonds werden zum Massenprodukt wie Computer – jeder wird sie nutzen.“
Davon waren wir 2009 noch weit entfernt, aber die Entwicklung war bereits sehr dynamisch. Wie üblich in unserer Branche dachte ich an ein bis zwei Jahre. Daraus sind inzwischen 15 Jahre geworden mit mehr als 180 Ausgaben, gestaltet mit Interviews, Kolumnen und Marktberichten.
So dokumentiert „Wertarbeit“ den rasanten Aufstieg der ETFs zu einem essentiellen Kapitalmarktprodukt. 2009 betrugen die Assets under Management der in Europa gelisteten 770 Titel rund 108 Milliarden Euro. Inzwischen sind es fast 1,8 Billionen Euro, also das 18-fache der damaligen Ausgangssituation. Aus den wenigen Anbietern damals sind inzwischen mehr als 35 geworden. Die Zahl der Exchange Traded Products in Europa, also Fonds und Notes, wuchs bis heute auf rund 2.700 Titel.
Angesichts der regelmäßigen Börsenkrisen in diesen 15 Jahren wurde immer wieder diskutiert, wie robust die ETFs gehandelt werden können. Das war schon in der Krise 2008/2009 ein großes Thema, so dass wir gleich nachfragten. Das Ergebnis war, dass der Handel funktioniert hatte, natürlich bei ausgeweiteten Spreads, aber Investoren kamen raus und rein. Das hat sich immer wieder bestätigt. In der Krise 2022, als Aktien und Renten fielen, waren ETFs sogar teilweise liquider als die zugrundeliegenden Anleihen. Trotz vieler wiederkehrender Warnungen haben sich die ETF als krisenfest im Handel erwiesen.
2009 war der Streit um die richtige, sprich beste Replikationsmethode noch in vollem Gang. Gemäß der physischen Replikation werden die Indizes mit den entsprechenden Underlyings im ETF nachgebildet. Bei synthetischer Replikation nutzen die Anbieter Tauschgeschäfte. Die Performance wird über Swaps sichergestellt. Im Laufe der Jahre hat sich der Streit darüber entspannt. Asset Manager und Vermögensverwalter, die auf ETFs setzen, bevorzugen heute überwiegend die physische Replikation. In Einzelfällen nutzen sie aber auch synthetische Abbildung. Im Falle von Rohstoffen ist die Abbildung überdies nicht anders machbar. Institutionelle Kunden verlangen in der Regel dazu höchste Klarheit, nicht nur über die Replikation, sondern auch den Einsatz der Wertpapierleihe.
Der Markt zeigt sich dynamisch und dürfte weiterhin kräftig wachsen.
Auch die Produktvielfalt hat ständig zugenommen. Neben den Plain-Vanilla-ETFs, die Standardindizes abbilden, gibt es zahlreiche Strategie-ETFs, die nach speziellen Merkmalen anlegen, zum Beispiel nach Dividendenstärke oder Strategien wie Low Volatility oder Minimum Varianz. Hinzu kamen ständig neue Themen am Kapitalmarkt, die wenn genügend Aktien am Markt waren, in einen Fonds gegossen werden konnten. Zudem gibt es mehr aktive ETFs, die regelbasierte Anlagestrategien nachzeichnen. Schließlich werden seit 2019 Fonds mit Nachhaltigkeitskriterien gefiltert, ESG-Kriterien wie Enviromental, Social und Governance. Damit lässt sich unkompliziert nachhaltiges Investieren umsetzen.
2009 waren ETFs überwiegend nur ein Thema für institutionelle Anlegerinnen und Anleger. Im Bereich privat Investierender sollten ETFs lange Zeit nur etwas für Selbstentscheider sein. Inzwischen gibt es jedoch fast vier Millionen ETF-Sparpläne bei traditionellen Kreditinstituten sowie bei speziellen Online-Plattformen. ETFs sind so wahrlich zum Massenphänomen geworden. Die gewagte Voraussage von 2004 hat sich erfüllt. Der Markt zeigt sich dynamisch und dürfte weiterhin kräftig wachsen. Und diese Prognose würde ich nicht als gewagt bezeichnen.