Interview mit Michael Winker |
Nachhaltigkeit gehört in jedes Portfolio

Michael Winker ist Head of ETF Investments und Direktor Portfolio Management bei der FERI AG in Bad Homburg, mit 59 Milliarden Euro Assets under Management eines der führenden Multi Asset-Investmenthäuser. Er analysiert die aktuellen Entwicklungen des ETF-Marktes.

Die FERI Gruppe ist einer der größten Vermögensverwalter Deutschlands. Welche Rolle spielen bei Ihnen inzwischen ETFs? Kann man salopp sagen: Kein Portfolio ohne Indexfonds?

Wir haben für die Portfolios keine festen Regeln. Jeder Kunde bekommt individuell genau, was am besten zu seinen Zielen passt. Aber in der Tat: Die Rolle der ETFs hat in den letzten Jahren in den Portfolios klar zugenommen. Eine Pflicht, ETFs zu haben, besteht trotzdem nicht.

Das Angebot an ETFs ist auch stetig gewachsen. Neben klassischen Indexfonds gibt es viele Strategieprodukte und sogar immer mehr aktive ETFs. Ist damit aus Ihrer Sicht jede Investmentidee umsetzbar? Oder wo sehen Sie Grenzen?

Der Baukasten für ein effizientes Multi-Asset-Portfolio ist schon außerordentlich gut gefüllt. Da gibt es breite und auch sehr punktgenaue ETFs. Ich würde dazu auch die Exchange Traded Commodities (ETCs) zählen, weil bei uns natürlich auch Rohstoffe und Kryptowährungen eine Rolle spielen. Damit lässt sich ein weites Feld an Investmentideen umsetzen. Grenzen sehe ich dort, wo die Assetklasse illiquider wird. Das gilt zum Beispiel für Immobilieninvestments, auch wenn man den Sektor über Branchen-ETFs teilweise abdecken kann. Das gilt ebenso für Private Equity und für spezielle Hedge-Fonds-Strategien. Da kann man mit ETFs und ETCs nicht agieren, einfach weil das Underlying nicht so liquide ist, wie es eine Verpackung in solche Anlageprodukte erfordert.

Wir wissen, dass breit diversifizierte ETFs das Einzelrisiko, besonders von Aktien, reduzieren. Aber es bleibt immer das Marktrisiko, das zum Beispiel im Jahr 2022 bei Aktien und Renten zu Verlusten führte. Wie gut sind ETFs fürs Risikomanagement geeignet?

In der Regel verpackt ein ETF ein klassisches Markt-Beta. Es gibt zwar Verpackungen, in denen gewisse Absicherungsinstrumente eingebaut sind. Die haben sich aber nicht auf breiter Basis durchgesetzt. Deshalb müssen wir als Vermögensverwaltung für das Risikomanagement sorgen. Das ist mit ETFs nur begrenzt möglich. Es gibt zwar Short-ETFs, aber die sind sehr pfadabhängig und nicht für jede Situation geeignet. Da muss man passgenauer agieren, zum Beispiel mit Futures und Optionen oder mit einer Quotensteuerung, die auf Basis von Value-at-Risk umgesetzt wird.

Gern wird die sogenannte Kern- und Satellitenstrategie propagiert. Damit liegen im Kern die schwankungsarmen Produkte, während die Satelliten risikoreicher auf kurzfristige Gelegenheiten setzen. Hat die sich nach Ihrer Erfahrung bewährt?

Der Ansatz ist natürlich nicht neu, hat aber immer noch seine Daseinsberechtigung für viele Kunden. Im Kern liegen dabei die kostengünstigen ETFs, wie zum Beispiel der MSCI World, der dank des Wettbewerbs nur wenige Basispunkte kostet. Damit ist man schon gut im Markt und hat auch so einen Megatrend wie die „Magnificent Seven“ mit Apple, Microsoft oder Nvidia nicht verpasst. Mit den Satelliten lassen sich dann unsere hauseigenen Prognosen sehr dezidiert und entsprechend der Risikotoleranz der Kunden umsetzen.

Sehr beliebt sind auch die dividendenstarken ETFs, über die wir schon öfters diskutiert haben. Auch da hat sich einiges bei den Auswahlkriterien getan. Aber es gab immer auch wieder Durststrecken mit solchen ETFs, in denen die Kursverluste größer als die Dividendenerträge waren. Wie gehen Sie damit um?

Die Faktorprämie Ausschüttung und Dividendenwachstum ist eine wissenschaftlich gut nachgewiesene Ertragsquelle. Aber Sie haben recht, es gibt auch immer Schwächephasen. Dann stellt sich die Frage: Durchhalten oder Aussteigen und Umschichten? Nach meiner Erfahrung ist es in einem breit diversifizierten Portfolio, in dem es auch andere Faktorprämien gibt, eher vorteilhaft, solche Schwächephasen durchzustehen. Wenn man sich das über mehrere Jahre anschaut, machen Dividenden und Dividendenwachstum einen enormen Anteil am Gesamtertrag aus. Deshalb sollte man auf Hin und Her verzichten.

Wie gehen Sie mit dem Themen-ETFs um? Kaum gibt es zu einem Thema, zum Beispiel Künstliche Intelligenz, ein paar Aktien, wird daraus auch schon ein ETF gemacht.

Themen-ETFs sind ein sehr diffuser und heterogener Bereich, der gerne mit einem griffigen Label wie Smart Cities oder Blockchain daherkommt. Da muss man genau hinschauen, vor allem, ob die Zusammenstellung von Baskets professionellen Indexkonstruktionen entspricht. Da gibt es hochinteressante Nischen, aber auch richtige Flops. Da ist eine genaue Prüfung absolut notwendig.

Und wie sieht es mit dem großen Thema Nachhaltigkeit aus? Da herrscht doch auch noch ziemlicher Wildwuchs?

Das sehe ich nicht mehr so. Die Nachhaltigkeitskriterien wurden über die Jahre immer mehr verschärft und professionalisiert. Aber trotzdem muss man auch da sehr genau hinschauen. Ein Beispiel: In manchen Nachhaltigkeitskonzepten wurde die Nvidia-Aktie bewusst ausgeschlossen, was natürlich ziemlich Performance gekostet hat. Deshalb achten wir immer genau auf den Mix der Nachhaltigkeitskonzepte. Aber insgesamt, so betone ich, gehört Nachhaltigkeit inzwischen zu jeder Portfoliostrategie.

Dann nochmal zu den aktiven ETFs, die ich schon angesprochen habe. Sie scheinen jetzt stärker auf den Markt zu kommen, und sie haben bestimmte automatische oder halbautomatische Anpassungen an sich ändernde Marktverhältnisse eingebaut. Ein vielversprechender Trend?

Nun, vielfach ist es nur alter Wein in neuen Schläuchen, also bewährte Investmentstrategien in neuer Verpackung. Das ist völlig akzeptabel, besonders wenn diese neue Verpackung kostengünstig ist. Zum Beispiel bekomme ich eine bewährte Strategie, für die ich früher hohe Basispunkte bezahlen musste, nun als relativ günstigen ETF angeboten. Dieser kann an der Börse gehandelt werden – muss es jedoch nicht.

Gibt es in dem gut gefüllten Baukasten denn aus Ihrer Sicht noch Lücken?

Wenn sich Kapitalmärkte ändern, gibt es immer wieder Lücken. Die werden aber nach meiner Erfahrung relativ schnell gefüllt, wie zum Beispiel zuletzt mit sogenannten Laufzeiten-ETFs im Rentensektor, die genau den Zeitgeist trafen und entsprechend Milliarden einsammeln konnten. Große Lücken sehe ich nicht mehr. Aber wie eingangs schon gesagt, man muss nicht jede Strategie in einen ETF pressen, wenn die Underlying nicht ausreichend liquide sind. Da gibt es bessere Möglichkeiten mit einer passgenauen Privatplatzierung.

Viele Kundinnen und Kunden hätten gern ein ausgewogenes Depot. Wie würde eine solche Konstruktion aus Ihrer Sicht gestaltet?

Die klassische Lesart eines ausgewogenen Portfolios ist eine Mischung von 50 Prozent globalen Aktien- und Renten-ETFs oder auch ein Verhältnis von 60 zu 40 Prozent. Das hat in den letzten hundert Jahren mit wenigen Ausnahmen immer stark performt. Wir bei FERI haben in den letzten Jahrzehnten weitere Anlageklassen in ausgewogenen Portfolios implementiert, zum Beispiel Gold, Rohstoffe und alternative Strategien. Unser FERI Multi Asset-Würfel versinnbildlicht die Darstellung unseres Multi Asset-Investmentansatzes – eine intelligente Kombination traditioneller und alternativer Anlagestrategien. Eine Anlageklasse ist Digital Assets, zu der auch riskantere Anlageformen wie Kryptowährungen gehören. Mit Hilfe unseres Multi Asset-Ansatzes optimieren wir Chancen und Risiken, um ein gut ausgewogenes Portfolio gestalten zu können.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation? Agiert FERI weiter offensiv oder jetzt eher defensiv?

Natürlich schauen wir in unseren Anlagestrategiesitzungen immer auf die aktuelle Entwicklung und reagieren, wenn es nötig ist. Aber mit Hilfe unseres FERI Cognitive Finance Instituts versuchen wir, langfristige Trends aufzuspüren und in unsere Portfolios einzubauen. Wir greifen weniger zu taktischen und trading-orientierten Maßnahmen. Die machen uns eher die Performance kaputt. Zurzeit haben wir noch recht solide Aktienquoten und eher geringe Cashquoten. Aber mit Blick nach vorne sind wir äußerst wachsam, vor allem, was die konjunkturelle Entwicklung und die Notenbankpolitik betrifft. Wird unsere Einschätzung defensiver, würden wir das entsprechend in den Portfolios umsetzen.

Michael Winker, Head of ETF Investments und Direktor Portfolio Management bei der FERI AG in Bad Homburg
Wir bei FERI haben in den letzten Jahrzehnten weitere Anlageklassen in ausgewogenen Portfolios implementiert.
Michael Winker
Head of ETF Investments und Direktor Portfolio Management bei der FERI AG in Bad Homburg
Disclaimer

Diese Darstellungen inklusive Einschätzungen wurden nur zum Zwecke der Information des jeweiligen Empfängers erstellt. Die Informationen stellen weder ein Angebot, eine Einladung zur Zeichnung oder zum Erwerb von Finanzinstrumenten noch eine Empfehlung zum Erwerb dar. Die Informationen oder Dokumente sind nicht als Grundlage für irgendeine vertragliche oder anderweitige Verpflichtung gedacht, noch ersetzen sie eine (Rechts- und / oder Steuer-) Beratung; auch die Übersendung dieser stellt keine derartige beschriebene Beratung dar. Die hier abgegebenen Einschätzungen wurden nach bestem Wissen und Gewissen getroffen und stammen (teilweise) aus von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen. Eine Haftung für die Vollständigkeit, Aktualität und Richtigkeit der gemachten Angaben und Einschätzungen, einschließlich der rechtlichen Ausführungen, ist ausgeschlossen. Die enthaltenen Meinungsaussagen geben unsere aktuelle Einschätzung zum Zeitpunkt der Erstellung wieder. Die Einschätzung kann sich jederzeit ohne Ankündigung ändern. Jeder Empfänger sollte eine eigene unabhängige Beurteilung, eine eigene Einschätzung und Entscheidung vornehmen. Insbesondere wird jeder Empfänger aufgefordert, eine unabhängige Prüfung vorzunehmen und / oder sich unabhängig fachlich beraten zu lassen und seine eigenen Schlussfolgerungen im Hinblick auf wirtschaftliche Vorteile und Risiken unter Berücksichtigung der rechtlichen, regulatorischen, finanziellen, steuerlichen und bilanziellen Aspekte zu ziehen. Sollten Kurse / Preise genannt sein, sind diese freibleibend und dienen nicht als Indikation handelbarer Kurse / Preise.

ETF Wertarbeit

Das monatliche Wissens-Update

Jetzt für Newsletter anmelden
angle-up