Interview mit Jens Kummer | „Wichtig bleibt gesunder Menschenverstand“
Wer sind die Kunden von FAROS? Welche Sichtweisen haben sie? Welche Aufgaben übernehmen Sie für Ihre Kunden?
Wir sind ein deutscher Berater für institutionelle Anleger. Wir beraten aber nicht nur, sondern nehmen auch Aufgaben der Vermögensverwaltung wahr, wenn gewünscht. Unsere Kundinnen und Kunden sind überwiegend Pensionskassen, Versicherungen, Versorgungswerke, kirchliche Einrichtungen, die reguliert und unreguliert sein können. Dazu gehören auch deutsche Unternehmen aus dem DAX oder dem MDAX, aber auch globale Unternehmen, die hier in Deutschland präsent sind. Wir unterstützen sie bei allen Fragen rund um die Kapitalanlagen. Der institutionelle Blickwinkel ist schon anders als von privaten Anlegerinnen und Anlegern, die üblicherweise nur auf Rendite und Risiko schauen. Bei den Institutionellen kommen auch bilanzielle Fragen zur Geltung sowie Fragen der Verpflichtung, wann und welche Zahlungen in der Zukunft fällig werden. Es gibt ein großes Umfeld von Regulierungen, die beachtet werden müssen.
Verfolgen Sie dann dazu so etwas wie eine übergeordnete Anlagephilosophie, die zum Beispiel Renditen und Sicherheit in Übereinstimmung bringen?
Generell sind institutionelle Adressen etwas risikoaverser als private. Aber wir verfolgen keine explizite Anlagephilosophie in dem Sinne, dass wir auf Faktoren wie Bewertung, Wachstum oder Small Caps setzen. Philosophisch gesprochen sind wir komplett agnostisch. Wir versuchen, einfach vernünftigen Menschenverstand walten zu lassen. Modewellen, wie es sie an den Märkten immer wieder gibt, vermeiden wir. Zum Beispiel wurden vor einigen Jahren die Investitionen in die aufstrebenden BRICS-Staaten propagiert. Davon redet heute keiner mehr. Oder es galt Risk Parity als Non-Plus-Ultra der Portfoliokonstruktion, was komplett versagte, als sich Korrelationen veränderten. Wir wollen unterscheiden, was ökonomisch sinnvoll ist, und was nicht. Wir verfolgen, was sich langfristig bewährt hat und prüfen, wie das zu den Restriktionen passt, denen unsere Kundinnen und Kunden unterliegen.
ETFs haben sich über die Jahre sicherlich bewährt. Welche Rolle spielen sie bei Ihrer Arbeit?
Wir betrachten Anlageinstrumente generell flexibel. Es gibt Anlageklassen, in denen ist die passive Abbildung nach Marktkapitalisierung bewährt. Das können US Large Caps oder europäische Staatsanleihen sein. Doch es gibt viele Anlageklassen wie zum Beispiel Emerging Markets, in denen aktives Management besser funktioniert. Da suchen wir nach den besten Managern, möglichst nach denjenigen, die immer im oberen Drittel der Performance agieren. Institutionelle Adressen genießen dabei zudem deutlich reduzierte Managementkosten, so dass der Kostenvorteil von passiven Anlagen nicht so ins Gewicht fällt. Nehmen Sie als ein weiteres Beispiel US-Nebenwerte. Die meisten sind nicht profitabel, weil sie zu hoch verschuldet sind. Da braucht man mehr Kriterien als nur die Marktkapitalisierung. Im Universum der US Large Caps sieht es anders aus. Hier sind ETFs sinnvoll.
Na ja, auch ETFs gibt es in spezielleren Varianten. Aber lassen Sie uns zunächst klären, wie Sie die ETFs auswählen.
Generell schauen wir uns zunächst die Peer Group an. Welche Produkte mit welchen Ansätzen stehen zur Auswahl? Für ETFs ist der Index wichtig, der möglichst repräsentativ sein sollte. Wenn der in der Mitte aller möglichen aktiven und passiven Alternativprodukte liegt, passt es. Es gibt aber auch Indizes, die sind im unteren Drittel der Performance. Da werden wir vorsichtig. Es gibt aber auch Indizes im oberen Drittel. Dann fragen wir nach, warum das so ist und ob das nachhaltig sein kann. Natürlich schauen wir auf die Kosten, und zwar die Kosten des Einstiegs, des Haltens und des Ausstiegs. Die Managementgebühren mögen niedrig sein, aber in wenig liquiden Märkten können der Ein- und Ausstieg sehr teuer kommen. Wir verfügen glücklicherweise über mehrere Marktzugänge, die deutlich günstiger in der Beschaffung sind. Der nächste Punkt ist die Abbildungsqualität. Die sollte möglichst hoch sein. Wenn ein Fonds davon ständig abweicht, nach oben oder unten, schauen wir genau hin. Es gibt auch Fälle, vor allem im IT-Bereich, wo Abweichungen nach oben häufiger vorkommen, was dann willkommen ist.
Viele ETFs sind Plain Vanilla, also genau die Abbildung der Marktkapitalisierung. Es gibt aber zunehmend ETFs mit zusätzlichen Kriterien, zum Beispiel Dividendenstärke, Growth, Value, Momentum oder High Quality der Fundamentaldaten. Ziehen Sie so etwas in Betracht?
Tendenziell mögen wir die Standard-Marktkapitalisierung, weil das ein einfaches und transparentes Verfahren ist. Darüber hinaus finden wir gleichgewichtete Indizes sinnvoll. Das hat Vor- und Nachteile. Aber langfristig hat sich gezeigt, dass Gleichgewichtung eine höhere Rendite erzielt. Gleichwohl zugestanden, es gibt Phasen, in denen bestimmte besonders erfolgreiche Unternehmen verstärkt gekauft werden, wie zurzeit im IT-Bereich. Dieser Momentumseffekt spricht wieder für die Marktkapitalisierung. Entsprechend agieren wir. Was Investmentstile betrifft, sind wir zurückhaltend. Nehmen Sie den Small-Cap-Effekt. Der hat in den letzten zehn Jahren keinen signifikanten Vorteil erbracht.
Und wie sieht es mit aktiven ETFs aus, die bewährte Strategien in semiautomatischer Form anbieten?
Wir sind erstmal neugierig. Wir präferieren aber eher aktive Manager, die gerne auch quantitativ regelbasierte Strategien auswählen. Wir finden, dass regelbasierte Strategien akademisch interessant sein können, aber möchten, dass solche Strategien ständig aufgrund aktueller Ereignisse überprüft werden. Anders formuliert: Gesunder Menschenverstand bleibt wichtig, nicht allein die Entscheidung einer Maschine.
Zum Thema Nachhaltigkeit, das sicherlich für Ihre Kundschaft wichtiger wird. Nutzen Sie dafür ESG- oder SRI-gefilterte ETFs?
In der Tat machen sich die meisten institutionellen Anlegerinnen und Anleger viele Gedanken zum Thema Nachhaltigkeit. Der Punkt jedoch ist, dass die Institutionellen oft ganz eigene Kriterien dazu haben. Deshalb passt eine passive Standardisierung mit ESG- oder SRI-Filtern oft einfach nicht. Wir müssen die individuellen Kriterien berücksichtigen. Wenn zum Beispiel Zuckerprodukte nicht willkommen sind, reichen die bisherigen Filter nicht. Das können wir besser mit Spezialfonds leisten, zumal sich die Kriterien auch im Zeitablauf ändern. Wir bieten dann individuelle Nachhaltigkeitskriterien, die genau auf unsere Kundinnen und Kunden zugeschnitten sind.
Auch wenn Sie langfristige Strategien verfolgen, das Auf und Ab der Märkte kann zu erheblichen Rückschlägen führen. Wie gestalten Sie das Risikomanagement über das Grundprinzip der Diversifikation hinaus?
Die meisten Institutionen haben aufgrund der Erfahrung der letzten 20 Jahre das Aktienrisiko im Blick. Das allein führt dazu, dass ihre liquide Aktienquote in der Regel geringer ist als bei privaten Investorinnen und Investoren. Wenn in solchen Baissephasen Verluste von 30 bis 50 Prozent auftreten, können die Berichterstattung und die Bilanzanforderungen zu unangenehmen Diskussionen führen. Die meisten halten einen Kursrückschlag von zehn bis 15 Prozent gut aus. Aber 40 oder 50 Prozent sind ein wirtschaftlich signifikantes Kaliber. Das soll vermieden werden. Deshalb gibt es verschiedene Absicherungsmechanismen, die so etwas verhindern. Wir unterstützen unsere Kundinnen und Kunden dabei, die besten Konzepte zur Absicherung von Extremrisiken zu finden, die am besten auf sie passen. Dazu gehört auch ein gemischtes Portfolio aus Aktien und Anleihen. Wenn sie Investitionsquoten verringert haben, geht es dann wieder um den richtigen Einstieg in die oft so schnellen Märkte. Daraus ergeben sich Opportunitätskosten, die genau abgewogen sein wollen.
2022 war ja ein Jahr deutlicher Verluste, weil Aktien und Renten gefallen sind. 2023 und das erste Halbjahr 2024 war eine Phase deutlicher Erholung. Und was kommt jetzt? Wie bereiten Sie Ihre Kundinnen und Kunden vor?
Das Wichtigste ist eine solide strategische Asset Allocation. Damit beschäftigen wir uns intensiv. Erst danach kommt die sogenannte taktische Asset Allocation ins Spiel, also die Abweichung von der Basisstrategie. Man sollte also zuerst auf die ökonomischen Risiken schauen und danach die Volatilität ins Kalkül ziehen. Rückschläge wird es immer geben. Sie müssen nur ins individuelle Risikobudget passen. Wir weichen auch von unserer strategischen Sichtweise ab, wenn wir der Meinung sind, dass die Märkte zu optimistisch oder pessimistisch sind. Dann agieren wir antizyklisch. Aber die Basis des Erfolges ist die strategische Asset Allocation.