Kolumne Dr. Bernhard Jünemann |
Nachhaltigkeit – bitte mehr Sein als „Shein“

Nachhaltigkeit ist ein Megatrend an den Finanzmärkten. Kaum eine Vermögensverwaltung oder ein Asset Management verzichtet heute auf solche Investments. An der Deutschen Börse waren 2023 rund 900 ETFs mit Nachhaltigkeitskriterien gelistet, sei es gefiltert als SRI (Social Responsibilty Index) oder ESG (Enviromental, Social, Governance). Hinzu kommen Themen-ETFs mit Schwerpunkten auf Klimaschutz, Biodiversität oder Kreislaufwirtschaft.

Auch wenn in Beratungsgesprächen auf die Möglichkeit nachhaltiger Investments hingewiesen werden muss, die Entscheidung treffen immer noch die Anlegerinnen und Anleger selbst. Das ist gut so. Denn nicht immer passen ihnen nur nachhaltige Investments in eine Strategie. Sie haben die Freiheit, sich im Rahmen von gesetzlichen und regulatorischen Vorgaben anders zu entscheiden, auch gegen ethische Ansprüche. Ich erinnere mich noch gut an die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Damals wurden sogenannte Vice-Investments propagiert, also Anlagen, die explizit auf Laster, Untugend oder Unmoral setzten. Das waren Themen wie Waffen, Alkohol, Tabak oder Spielkasinos. Solche Strategien sind jedoch zum Glück nur Nischen geblieben. Ethik und Nachhaltigkeit beim Investieren sind dagegen immer stärker geworden.

Angesichts der Weltprobleme ist es gut, dass sich Unternehmen ethischen Ansprüchen stellen müssen. Dagegen positioniert sich gerade das chinesische Modeunternehmen Shein, das eines der größten Börsengänge der vergangenen Jahre anstrebt. Analysten rechnen mit einer Marktkapitalisierung von mindestens 100 Milliarden US-Dollar.

Shein ist ein Paradebeispiel für die Chancen, aber auch die Verführungen und Gefahren des Internets. Das chinesische Unternehmen, das offiziell in Singapur ansässig ist, jedoch Produktionskapazitäten in China und anderen Billiglohnländern unterhält, spricht mit seinem Marketing gezielt die sogenannte Generation Z an – junge Leute mit wenig Geld und hoher Internetaffinität. Sie werden durch eine eigene, algorithmusgesteuerte Shopping-App, flankiert von Influencern auf TikTok, angelockt. Angeboten wird Ultra-Fast-Fashion zu Preisen von wenigen Euros oder Dollars. Die Mode ist so billig, dass die Kleidungsstücke oft nur ein- oder zweimal getragen werden.

Klar, dass so ein Trend zur Wegwerf-Mode allen Bestrebungen zu mehr Nachhaltigkeit und sorgsamen Umgang mit Ressourcen Hohn spricht. Ursprünglich sollte der Börsengang in den USA stattfinden, dem größten Absatzmarkt für Shein. Aber offenbar gibt es amerikanische Vorbehalte gegen chinesische Unternehmen, wie auch der Umgang mit TikTok zeigt. So ist jetzt offenbar der Aktienmarkt in London im Fokus, wo die Regeln etwas weniger streng sind als in den USA.

Dass ein solches Unternehmen es je in einen ETF mit SRI- oder ESG-Kriterien schaffen sollte, ist praktisch ausgeschlossen

Es bleibt zu hoffen, dass die junge Generation lernt, sich kritisch mit dem ethischen Sein, also dem Verhalten des Unternehmens Shein auseinanderzusetzen. Kundinnen und Kunden sollten gebührenden Abstand zu Ultra-Fast-Fashion halten. Das gilt auch für Anlegerinnen und Anleger, die sich fragen müssen, ob ein solcher Börsengang nachhaltigen Erfolg verspricht und sich ein Engagement deshalb lohnen dürfte. So mancher Hype hat sich schmerzlich als kurzlebig entpuppt. ETF-Investorinnen und Investoren können dem Treiben ohnehin gelassen zuschauen. Denn dass ein solches Unternehmen es je in einen ETF mit SRI- oder ESG-Kriterien schaffen sollte, ist praktisch ausgeschlossen.

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