Kolumne Dr. Bernhard Jünemann | Der Trump-Faktor an den Börsen
Die Finanzmärkte reagierten schnell und begeistert auf die neue politische Lage in den USA. Trumps Sieg bei den Präsidentschaftswahlen war so recht nach dem Geschmack der Wall Street. So sprang der Dow Jones glatt drei Prozent nach oben. Der technologiegetriebene Nasdaq 100 gewann 1,9 Prozent.
Bemerkenswert auch die Entwicklung von Einzeltiteln. Trump verspricht, die Finanzmarktregeln zu lockern. US-Bankwerte reagierten mit Gewinnen von zehn bis zwölf Prozent. Trump will die heimische Industrie vor Konkurrenz schützen. Stahlwerte legten bis zu 17 Prozent zu. Sogar die Aktie des Elektroautobauers Tesla, der vor kurzem noch mit Qualitätsproblemen von sich reden machte, schoss um 13 Prozent nach oben, ist der Tesla-Chef Elon Musk doch offenbar für ein Regierungsamt vorgesehen.
Kein Wunder, dass seitdem im Netz und den Medien allerlei Trump-Listen mit Aktien heruntergebetet werden, die von seiner Präsidentschaft profitieren könnten. Ein Trump-Index wurde bisher noch nicht gesehen. Aber wenn er doch käme, gäbe es wohl bald einen ETF darauf.
Trotz allem Hype fragt sich, wie nachhaltig solche ersten Reaktionen sein werden und wie der Saldo zwischen Verlierern und Gewinnern sein dürfte. Denn erste Verlierer gab es nicht nur in Europa, wo die Angst vor den von Trump so geliebten Zöllen umging, sondern auch in den USA. Konsumwerte litten, vor allem wenn sie auf Importe aus China angewiesen sind. Insgesamt fragt sich zudem: Wie wird Trumps Politik auf die wirtschaftlichen Rahmendaten wirken, die die Börsen ebenfalls beeinflussen können.
Deshalb ist es sinnvoll, die Trump-Politikversprechen längerfristig in ihren Wirkungen zu betrachten. Mit der Mehrheit im Repräsentantenhaus und im Senat muss man damit rechnen, dass er das, was er versprochen hat, auch umsetzt. Da gibt es zwei große Risikofaktoren.
Der erste Risikofaktor ist die ungebremste Staatsverschuldung, ausgedrückt in Prozent des Bruttoinlandprodukts. Laut IWF betrug sie am Ende der ersten Amtsperiode von Trump 2020 rund 144 Prozent, bedingt durch die Steuersenkungen aber auch durch die Corona-Pandemie. Mit Präsident Biden ging die Staatsverschuldung erst zurück, stieg jedoch mit den Ausgaben für den Inflation-Reduction Act wieder massiv an und beträgt jetzt rund 126 Prozent. Trumps diverse Steuersenkungs- und Ausgabepläne könnten diese Quote wieder weit über das Corona-Niveau heben. Dass hier eine Gefahr lauert, haben die US-Kreditmärkte schon mal signalisiert. Die Renditen für langlaufende Papiere sind kurzfristig gestiegen. Die Unternehmen, die von einer geplanten Senkung der Körperschaftssteuer auf 15 Prozent profitieren, müssen mit höheren Kreditkosten rechnen.
Für Trump ist die Finanzierung kein Problem. Er will ja massiv Zölle erheben, um die Wirtschaft zu schützen und verschafft dem Staat so auch zusätzliche Einnahmen. Aber ob die ausreichen werden, die erhöhten Ausgaben zu finanzieren ist höchst zweifelhaft. Solche Zölle könnten den zweiten Risikofaktor realisieren: die Rückkehr der Inflation.
Importierte Waren würden durch Trumps Allheilmittel massiv verteuert. Das könnte die Inflation, die gerade auf dem Rückzug ist und die die Fed zu einer weiteren Zinssenkung veranlasst hat, wieder anheizen. Spätestens im Frühjahr nächsten Jahres wird sich dann zeigen, ob die Fed die Zinssenkungen beendet, ja sich sogar auf eine Anhebung vorbereitet. Kein gutes Signal für den Aktienmarkt. Dabei sind die Auswirkungen eines Handelskrieges auf die amerikanische Wirtschaft noch gar nicht einbezogen.
Ein neuer, langanhaltender Trump-Boom an den Märkten ist also noch nicht ausgemacht. Man muss zudem bedenken, dass die Börsen schon vier Jahre unter Trump und vier Jahre unter Biden immer neue Rekorde markiert haben. Nach aller Erfahrung werden sie auf solch hohem Niveau anfälliger für heftige Reaktionen. Ein gewisses Maß an Vorsicht ist ratsam. Auch sollte man nicht unterschätzen, dass sich Trumps erratische Reaktionen der ersten Amtszeit wiederholen könnten. Allerdings soll sein Team diesmal viel besser vorbereitet sein als damals und Vor- und Nachteile bestimmter Maßnahmen besser abschätzen können.
Und für Überraschungen, das kann man wohl mit Sicherheit prognostizieren, ist Trump immer gut.
Aber ganz klar: Die US-Volkswirtschaft ist groß und robust, so dass international agierende Anlegerinnen und Anleger in Amerika investiert sein müssen, wer immer dort Präsident ist. Der Markt für ETFs ist zudem so differenziert, dass sich spezielle Investmentideen und Themen umsetzen lassen. Trotzdem gilt: Ein Portfolio sollte so aufgestellt sein, dass es auch negative Überraschungen gut überstehen kann. Und für Überraschungen, das kann man wohl mit Sicherheit prognostizieren, ist Trump immer gut.