Kolumne Dr. Bernhard Jünemann |
Hoffnung bewegt die Kurse

Das „Prinzip Hoffnung“ ist zu einem geflügelten Wort im deutschen Sprachgebrauch geworden. Es geht zurück auf den Philosophen Ernst Bloch (1885 – 1977) und ist der Titel seines Hauptwerkes. Es entstand zwischen 1938 und 1947 im amerikanischen Exil und sollte ursprünglich „Träume eines besseren Lebens“ heißen. Bloch formuliert darin, dass es einer konkreten Utopie bedarf, um Veränderungen zum Besseren herbeizuführen.

Kein Wunder, dass dieser philosophische Begriff zum geflügelten Wort wurde, denn Hoffnung auf Besserung ist ein allgemeines und starkes menschliches Gefühl. Gerade jetzt mit all diesen Neujahrsansprachen wird Hoffnung geweckt. Sie soll gepaart mit Zuversicht den Menschen Mut machen zu handeln und ihre Situation zu verbessern. Aber wir kennen natürlich auch, dass Hoffnung sich schnell als trügerisch entpuppt und zu großen Enttäuschungen führt, vor allem, wenn mit unerreichbaren Utopien agiert wird.

Das Prinzip Hoffnung gilt gerade und besonders an der Börse, auch wenn der Neomarxist Bloch mit den Finanzmärkten nicht viel im Sinn gehabt haben dürfte. Die Hoffnung auf steigende Kurse, auf auskömmliche oder überdurchschnittliche Renditen, ist ein mächtiger Antriebsfaktor. So versuchen es Anlegerinnen und Anleger immer wieder neu, auch wenn ihre Hoffnungen enttäuscht wurden. Dabei ist die individuelle Hoffnung allein nicht ausschlaggebend, sondern die Kurse werden erst dann bewegt, wenn es kollektive Hoffnungen und entsprechende Positionierungen gibt. Auch die Fristigkeit der Investitionen spielt eine Rolle. Wer kurzfristig agiert, muss mit mehr Fehlern rechnen. Wer die längerfristigen Börsenzyklen im Blick hat, hat gute Chancen, dass seine Hoffnung auf ordentliche Renditen am Aktienmarkt realistisch ist. Oft ist die Zuversicht mit irrationalem Überschwang verbunden. Drastisch gesagt: Gier und Angst bewegen oft die Kurse stärker als die rationalen Analysen des wirtschaftlichen Umfeldes.

Besonders stark wird Hoffnung verbreitet, wenn ein neues Jahr anbricht. Dabei ist das Muster bekannt. War das alte Jahr schlecht, wird die Hoffnung genährt, dass es im neuen Jahr nur besser werden kann. War das alte Jahr sehr gut wie das letzte, heißt es, die Kurse könnten durchaus noch weiter steigen, aber die Schwankungen würden zunehmen.

Wenn man die Hoffnungsfaktoren für 2025 abklopft, dann lassen sich auch fast immer Argumente dafür finden, dass es anders kommen kann. Dazu nur ein Beispiel: Die Börsen profitieren vom wachsenden Welthandel und der niedrigen Inflation. Die Notenbanken sollten deshalb die Zinsen weiter senken und die Grundlage für weiter steigende Kurse legen.

Mal abgesehen davon, dass die weltweiten Inflationsdaten in der Regel immer noch über den Zielmarken der Notenbanken liegen, gibt es erhebliche Zweifel, dass die Geldentwertung in den USA weiter zurückgeht. Das passt nicht zur Stimulierung der Wirtschaft, wie sie die Trump-Regierung mit weiter massiv erhöhten Schulden vorantreiben will. Schlimmer noch, wenn Trump sein Lieblingsprojekt der Strafzölle umsetzt, noch schlimmer, wenn dann andere Staaten folgen und ein regelrechter Handelskrieg ausbricht. Zölle werden die Inflation in den USA nach oben treiben, ein Handelskrieg dürfte das Wachstum der Weltwirtschaft dämpfen. Solche Faktoren könnten die Hoffnung auf munter weiter steigende Aktienkurse schnell dämpfen oder sogar in Luft auflösen. Vor allem wer auf kurzfristige Chancen einzelner Firmen setzt, muss flexibel agieren und sich schnell von einem Engagement verabschieden, wenn die Wetten nicht aufgehen.

Trumps Erkenntnisse sind bekanntermaßen volatil.

Dennoch ist eine gewisse Grundzuversicht erst einmal vernünftig, auch dass ein Präsident Trump lernfähig ist, wissenschaftliche Erkenntnisse über die Gefahren von Handelskriegen anerkennt und sich mäßigt. In den ersten Handelstagen interpretierten die Börsen manche seiner Aussagen als Lernfähigkeit und entsprechend stiegen die Kurse. Ob dies nachhaltig sein wird, ist zu bezweifeln. Trumps Erkenntnisse sind bekanntermaßen volatil, und entsprechend kann es zu heftigen Schwankungen kommen.

ETF-Anlegerinnen und -Anleger können solche Risiken aushalten und sich in Gelassenheit üben. Sie müssen nur breit diversifiziert in große Indizes anlegen. Sie mögen keine Spitzenrenditen erzielen, können aber darauf hoffen, dass sie über die Zyklen hinweg ordentliche Renditen erzielen. Das zeigt zum Beispiel das DAX-Renditedreieck des Deutschen Aktieninstituts immer wieder. Das ist keine utopische Hoffnung, sondern eine realistische Chance. Damit sollte sich auch ein vielleicht sehr aufregendes Jahr meistern lassen.

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