Makro Research mit Dr. Ulrich Kater | 2025: Das dritte gute Aktienjahr in Folge?
Zwei Jahre mit sehr erfreulichen Entwicklungen von Wertpapieranlagen liegen hinter uns. Insbesondere an den Aktienmärkten stiegen die Kurse kräftig an. Ob das auch im neuen Jahr so weitergehen wird? Sind aller guten Dinge drei positive Wertpapierjahre in Folge? Ein klares „Ja“ ist alles andere als sicher, allein schon, wenn man die Unwägbarkeiten bezüglich der anstehenden US-Präsidentschaft von Donald Trump und die schwierige politische und wirtschaftliche Situation in Deutschland bedenkt. Führt man sich die ganzen aktuellen Risiken und Probleme vor Augen, fällt es nicht jedem leicht, gelassen und optimistisch in die Wertpapierzukunft zu schauen.
Aber werfen wir mal einen nüchternen Blick auf die aktuellen Rahmenbedingungen an den Kapitalmärkten. Der für die Wertpapieranlagen bedeutsame geldpolitische Kurs der großen Notenbanken ist weiter auf die Senkung der Leitzinsen in Richtung der langfristigen Durchschnittsniveaus ausgerichtet. Diese geldpolitische Lockerung wird weiter marktstützend wirken. Hinzu kommt eine Weltwirtschaft, die nach wie vor um 3 % und damit ziemlich genau mit ihrem langfristigen gleichgewichtigen Durchschnittstempo wächst – in realer, also inflationsbereinigter Rechnung. Damit können sich die Kapitalmärkte auch in diesem Jahr wieder auf zwei stabile Säulen stützen.
Diese Säulen werden aber die eine oder andere Erschütterung aushalten müssen: Zum einen dürften die konkreten politischen Maßnahmen der neuen US-Regierung nach der Vereidigung von Donald Trump zum US-Präsidenten die Kursschwankungen an den Märkten in der ersten Jahreshälfte hochhalten. Zum anderen wird sich noch weisen, wieviel Geld die Regierungen weltweit zukünftig ausgeben wollen, beispielsweise für höhere Verteidigungsausgaben oder für die grüne Transformation, und wie die Anleihemärkte darauf reagieren. Denn die Schuldenstände werden steigen, was die Zinsen auf deutlich höhere Niveaus hieven könnte, als wir es derzeit erwarten. Wir gehen davon aus, dass die Kapitalmärkte zwar kritisch auf die Schuldenlast schauen werden, sich jedoch stärker darauf fokussieren, dass die zunehmende Investitionsbereitschaft und der technische Fortschritt das Wachstum begünstigen.
Konjunktur Industrieländer
Deutschland
Die jüngsten Konjunkturindikatoren waren unterm Strich ordentlich. Die Produktionstätigkeit nahm im November zu, die Ausfuhr stieg an, und die um Großaufträge bereinigten Auftragseingänge stabilisieren sich. Dieser positiven Momentaufnahme steht aber eine sich weiter eintrübende Unternehmensstimmung gegenüber, wobei die Molltöne insbesondere aus der Industrie kommen. Diese kämpft mit den Folgen der Energiewende, einer drohenden Zunahme des Protektionismus und der wachsenden Konkurrenz aus China. Gleichzeitig hält der Konsum nicht, was die Einkommenszuwächse versprechen. Die Mischung aus dem Nachhall des inflationsbedingten Kaufkraftverlusts und die zunehmende Sorge um den Arbeitsplatz hemmen den Konsum.
Euroland
Es ist damit zu rechnen, dass die wirtschaftliche Entwicklung im vierten Quartal 2024 nicht an die gute Dynamik aus dem Vorquartal anknüpfen konnte. Zu schwer wiegen die Belastungen aus der europäischen Industrie für die Gesamtwirtschaft. Die Frühindikatoren geben sogar Hinweise auf eine weitere Verschlechterung der Lage im Industriesektor. Von besonderer Schwäche ist die deutsche Industrie geprägt. Dem gegenüber steht ein Dienstleistungsbereich, der zwar die Industrieschwäche ausgleichen kann, aber nicht genug Kraft für eine stärkere Konjunkturbelebung besitzt. In regionaler Betrachtung fehlen der EWU-Wirtschaft die Impulse aus Deutschland. Während die drei weiteren EWU-Schwergewichte (Frankreich, Italien und Spanien) 2024 zum Teil kräftig gewachsen sein dürften, ist aus Deutschland nur ein negativer Wachstumsbeitrag für die europäische Wirtschaftsleistung zu erwarten.
USA
Die wirtschaftliche Entwicklung neigt weiterhin nicht zur Schwäche. Hierzu trägt möglicherweise zeitverzögert ein niedrigeres Zinsumfeld bei. Dieses hatte sich im Sommer bis Herbst vergangenen Jahres deutlich entspannt. Anschließend folgte eine Phase mit wieder höheren Marktzinsen. Die Auswirkungen dieser anschließenden Phase dürften sich noch nicht in den makroökonomischen Entwicklungen widerspiegeln. Dies spricht dafür, dass in den kommenden Monaten etwas schwächere Konjunkturdaten gemeldet werden. Somit reflektieren die Aufwärtsrevisionen unserer Wachstumsprognosen lediglich die aktuelle Entwicklung. Preisseitig überraschten zwar die Verbraucherpreise im November auf der oberen Seite. Der breiter gefasste Deflator der privaten Konsumausgaben konnte hingegen aus geldpolitischer Sicht eher beruhigen.
Prognoserevision: Aufwärtsrevision des Bruttoinlandsprodukts 2024 und 2025 sowie Abwärtsrevision der Inflationsprognose 2025.
Märkte Industrieländer
Europäische Zentralbank / Geldmarkt
Bei ihrer Ratssitzung im Dezember signalisierte die EZB ungewohnt deutlich die Absicht weiterer Leitzinssenkungen, indem sie nicht mehr von der Notwendigkeit einer restriktiven Geldpolitik sprach. Anschließend haben Marktteilnehmer ihre Erwartungen über Ausmaß und Tempo der bevorstehenden Lockerung jedoch wieder etwas zurückgeschraubt, da konjunkturelle Abwärtsrisiken in ihren Augen abgenommen haben und auch die Fed ein langsameres Vorgehen ankündigte. Wir gehen davon aus, dass die EZB die graduelle Normalisierung ihrer Geldpolitik mit Zinsschritten von jeweils 25 Basispunkten bei den Sitzungen im Januar und März fortsetzen wird. Bei einer nur noch langsamen Konvergenz zum Inflationsziel dürfte sie danach das Tempo der Anpassungen verringern und erst im September mit einem Einlagensatz von 2,0 % ein in etwa neutrales Niveau erreichen.
Rentenmarkt Euroland
Der Anstieg der Renditen kurzlaufender Bundesanleihen seit Anfang Dezember spiegelt vor allem weniger starke Leitzinssenkungserwartungen wider. Demgegenüber beruht die Versteilerung am langen Ende nur zu einem geringen Teil auf gestiegenen Inflationserwartungen. Ausschlaggebend waren vielmehr die höheren Renditen langlaufender US-Treasuries und die Sorge der Anleger vor stark anwachsenden Staatsanleiheemissionen auch in Deutschland und im Euroraum. Auch wenn die Knappheit von Bundesanleihen mittlerweile spürbar abgenommen hat, dürfte der EZB-Einlagensatz der Ankerpunkt für das kurze Ende der Bundkurve bleiben, sodass wir hier mit leichten Renditerückgängen rechnen. Anders als bei Leitzinssenkungen üblich, sollte sich die Bundkurve dabei eher verflachen, da die realen Renditen am langen Ende derzeit ungewöhnlich hoch sind.
Prognoserevision: Etwas höhere Renditen v. a. langlaufender Bundesanleihen.
Devisenmarkt: EUR-USD
Im vergangenen Jahr, das durch starke Änderungen der Markterwartungen an die geldpolitischen Kurse der Notenbanken geprägt war, hat der Euro gegenüber dem US-Dollar um 6 % abgewertet. Die Differenz zwischen den Renditen der 2-jährigen US-Treasuries und Bunds schwankte deutlich zwischen 140 und 240 Basispunkten und mit ihr der EUR-USD-Wechselkurs. Besonders markant war dabei die Rutschpartie des Wechselkurses seit dem Jahreshoch von 1,12 USD je EUR im September auf das Zweijahrestief von 1,04 zum Jahresende. Dies war dem Ausblick auf die Regierung Trump geschuldet. Anfang 2025 gab der Wechselkurs sogar weiter nach. So bekommt der Euro zum Jahresbeginn – mit dem Näherrücken der Amtseinführung Trumps und vor den Neuwahlen in Deutschland – die hohe Unsicherheit für den Ausblick Eurolands besonders stark zu spüren.
Prognoserevision: Abwärtsrevision des Prognoseverlaufs.
Aktienmarkt Deutschland
Unternehmensanleihen haben das Jahr 2024 gut abgeschlossen, und auch der Start ins neue Jahr ist gelungen. Mit einem Total Return von gut 3 % haben sie Bundesanleihen und viele andere Staatsanleihen outperformed. High Yield-Bonds haben wegen zusätzlicher kräftiger Spreadeinengungen mit etwa 9 % sogar noch deutlich besser abgeschlossen. Die guten Ergebnisse lagen vor allem an der erhöhten laufenden Verzinsung. Die Spreads für Investmentgrade Bonds haben sich, gemessen am iTraxx Index, dagegen nur minimal verringert. In der Betrachtung gegenüber Bundesanleihen haben sich die Spreads jedoch aufgrund der massiven Verbilligung von Bundesanleihen zu Swapsätzen kräftig verringert. In der Folge haben diese Spreads mittlerweile recht niedrige Niveaus erreicht, im Vergleich zu Swaps sind sie weiterhin attraktiv.
Prognoserevision: Leichte Aufwärtsrevision 3- und 12-Monatsprognose.
Unternehmensanleihemarkt Euroland
Die Stimmung für Risikoassets bleibt ungeachtet diverser politischer Risiken und nur mäßiger Konjunkturaussichten sehr gut. Die Renditen von Unternehmensanleihen sind zuletzt mit nachgebenden Bundrenditen weiter gesunken. Kassa-Anleihen hängen allerdings Kreditderivaten weiterhin in der Spreadentwicklung hinterher, da sich die Risikospreads in der Betrachtung gegenüber den Swapsätzen ausgeweitet haben. Französische Adressen leiden unter der Unsicherheit infolge der Regierungskrise, vor allem Bankentitel sind etwas unter Abgabedruck geraten. Bei Neuemissionen haben Hochrisikofirmen in diesem Jahr stark aufgedreht und sind dabei auf sehr große Nachfrage der Investoren gestoßen. Dies hat die Sorge über eine stark aufsteigende „Maturity Wall“ in den kommenden Jahren deutlich abgefangen.
Emerging Markets
Märkte
Der Anstieg der US-Renditen nach der Änderung des Zinsausblicks der US-Notenbank hat in den vergangenen Wochen vor allem EM-Hartwährungsanleihen belastet. Auch bei EM-Lokalwährungsanleihen sind die Renditen gestiegen, doch wurden diese Verluste durch Gewinne der Schwellenländerwährungen gegenüber dem schwachen Euro kompensiert. EM-Aktien haben einmal mehr unter der Schwäche des chinesischen Aktienmarkts gelitten, wo es der Regierung bislang nicht gelungen ist, nachhaltig Hoffnungen auf eine Konjunkturerholung zu schüren. In den kommenden Wochen und Monaten dürften die Kapitalmärkte vom Beginn der zweiten Amtsperiode von US-Präsident Trump geprägt werden. Es ist allgemeine Erwartung, dass US-Zölle angehoben werden, doch über Ausmaß und Kreis der betroffenen Länder besteht hohe Unsicherheit. Unter den Schwellenländern dürfte neben China besonders Mexiko im Fokus der Drohungen stehen. Die EM-Notenbanken müssen mehrheitlich gestiegene konjunkturelle Abwärtsrisiken und die erhöhte Wechselkursvolatilität gegeneinander abwägen, was für vorsichtige Leitzinssenkungen spricht.
Szenarien
Basisszenario (Wahrscheinlichkeit: 65 %)
Anpassungen nach der Ausnahmesituation durch die Corona-Pandemie und der langen Jahre der Nullzinspolitik verlaufen überraschend geschmeidig. Weltwirtschaft wächst mit durchschnittlich rund 3 % pro Jahr.
Deglobalisierung, Demografie und Dekarbonisierung erhöhen perspektivisch den Inflationsdruck und dämpfen das globale Wachstum.
Notenbanken senken Leitzinsen in Abhängigkeit von der Inflationsentwicklung und sind dabei wachsam, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen im Zielbereich von 2 % verankert bleiben.
Lockerung der Geldpolitik stützt Konjunktur und Kapitalmärkte. Fiskalpolitik bleibt angesichts struktureller Herausforderungen (wie Klimawandel, Sozialversicherungssysteme, Demografie usw.) global eher expansiv. Allgemein ist ein Trend zu höherer Staatsverschuldung zu beobachten.
Regierungswechsel in den USA und Bruch der Ampelkoalition in Deutschland erhöhen politische Unsicherheit, haben aber kurzfristig nur begrenzte Auswirkungen auf die Konjunktur.
Leichte konjunkturelle Belebung in Euroland. US-Wirtschaft zeigt sich robust.
In China begrenzen die zunehmende staatliche Regulierung und die Korrektur im Immobiliensektor das Wachstum.
Aktienmärkte bewegen sich moderat aufwärts mit hohen Schwankungen. Sie profitieren vom globalen Wachstum und vom Umbau der Wirtschaft mit Blick auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Zinsen dürften tendenziell Inflationsraten nur knapp übertreffen. Kaufkrafterhalt der Geldanlagen funktioniert am besten über breit gestreute Wertpapieranlagen, allerdings unter Inkaufnahme von Wertschwankungen.
Negativszenario (Wahrscheinlichkeit: 25 %)
Stark steigende Staatsverschuldung – insbesondere in Frankreich – löst eine europäische Schuldenkrise aus und birgt das Risiko einer Finanzkrise bzw. eines erneuten Infragestellens der europäischen Währungsunion.
Einführung neuer Handelsbeschränkungen durch die USA führt zu einem Handelskrieg mit China, der auch Europa erfasst und das globale Wachstum empfindlich bremst.
Deutlich höhere Inflationsraten aufgrund von umfassenden protektionistischen Maßnahmen oder von spürbar steigenden Staatsschulden lösen Lohn-Preis-Spirale aus. Notenbanken sehen sich dadurch zu einer nochmaligen Straffung der Geldpolitik gezwungen, die zu einer massiven Rezession führt.
Dramatische Eskalation des Russland-Ukraine-Kriegs oder des militärischen Konflikts im Nahen Osten mit Ausweitung auf weitere Länder. Infrastruktur-Sabotage als Mittel der unkonventionellen Kriegsführung. Deutlich verschärfte Konfrontation zwischen zwei Blöcken mit den USA und China als Leitmächten bzw. die Verschiebung globaler politischer Gewichte zugunsten autoritärer Regimes verringert positive Wachstumswirkungen der Globalisierung.
Positivszenario (Wahrscheinlichkeit: 10 %)
Einfrieren der geopolitischen Konflikte führt zu zügiger Beruhigung von Wirtschaft und Finanzmärkten.
Eine beherzte Konsolidierung der öffentlichen Staatshaushalte sowie durchgreifende Strukturreformen stärken das globale Wachstum.
Kräftige Gewinnanstiege der Unternehmen lassen Aktienkurse deutlich steigen und wirken als Triebfeder für die Investitionsdynamik.
Überraschend starke Wachstumsdynamik in den Emerging Markets mit Schubwirkung für globale Wirtschaft.