Interview mit Matthias Harpel | „ETF-Strategie mit ruhiger Hand“
Die Sparkassen haben vor etwa 20 Jahren begonnen, ETFs in ihrem Depot A – der Eigenanlage – einzusetzen. Wie war das bei Ihnen und wie werden ETFs heute genutzt?
Wir haben damit vor 15 Jahren begonnen, also kurz nach der Finanzkrise 2009. Gefragt waren damals vor allem konservative, wenig volatile Anlagen. So haben wir ETFs vornehmlich für Unternehmensanleihen genutzt. Nach und nach wurde der Aktienanteil erhöht: Zunächst mit dem DAX, dann mit Fokus auf Europa mit dem EURO STOXX 50 und dem MSCI Europe und schließlich auch weltweit mit dem MSCI World. Vor etwa vier Jahren haben wir unseren ersten nachhaltigen ETF gekauft. Das war ein MSCI Climate Change ESG UCITS ETF von der Deka.
Und wie sieht es im Kundengeschäft aus?
Wir beobachten in den letzten Jahren eine zunehmende Nachfrage bei unseren Kundinnen und Kunden.
Besonders stark ausgeprägt ist die Präferenz in jüngeren Altersklassen, bedingt durch die sozialen Medien, in denen ETFs häufig propagiert werden. Das Interesse bezieht sich sowohl auf Sparpläne als auch auf Einzelanlagen.
Gibt es bei Ihnen so etwas wie eine übergreifende Anlagestrategie?
Auf jeden Fall in der Eigenanlage. Dort haben wir basierend auf Ertragserwartungen und Risikokennzahlen Vorgaben für die Vermögensverteilung festgelegt. Das ist bei uns eine 80-20-Verteilung, also 80 Prozent traditionelle Rentenpapiere und 20 Prozent in Aktien, Immobilien und Infrastrukturinvestments. Bei den Aktien dominieren klar die ETFs.
Nach welchen Prinzipien beraten Sie Kundinnen und Kunden?
Im Rahmen eines strukturierten Anlageprozesses verschaffen wir uns Transparenz über ihre Risikoakzeptanz und individuellen Ziele, wie z. B. langfristiger Vermögensaufbau, Altersvorsorge und Vermögenssicherung. Aktives Trading ist kein Beratungsschwerpunkt. Wenn es um Aktien-ETFs geht, empfehlen wir vor allem solche auf die großen bekannten Indizes – vom DAX bis hin zum MSCI World. Bei unseren Kundinnen und Kunden sind jedoch aktiv gemanagte Fonds immer noch die Kernanlage, anders als im Eigengeschäft. Dort sind aktiv gemanagte Produkte eher auf Sonderthemen ausgerichtet.
Wie wählen Sie ETFs aus? Es gibt ja unterschiedliche Anbieter, Konditionen und Replikationsmethoden.
Für uns kommen ausschließlich physisch replizierende Fonds in Frage. Natürlich achten wir auf wettbewerbsfähige Kosten und ein qualitativ hochwertiges und fehlerfreies Reporting. Bei diesem Punkt gibt es nach unserer Erfahrung erhebliche Unterschiede. Dabei können besonders die Deka-ETFs punkten. Das gilt neuerdings auch in Bezug auf mögliche Interessenkonflikte angesichts der weltpolitischen Ereignisse. Für uns stellen sich jetzt neue Fragen, zum Beispiel wie amerikanische Fondsgesellschaften künftig abstimmen, wenn sich ein DAX-Unternehmen einer feindlichen Übernahme durch ein US-Unternehmen ausgesetzt sieht.
Im Hinblick auf die aktuellen außenpolitischen Vorstöße des amtierenden US-Präsidenten fühlen wir uns mit rein deutschen Produkten wohler.
Nun gibt es außer den Standardprodukten auch sogenannte Strategie-ETFs, zum Beispiel mit Faktoren wie Momentum, Dividenden oder Quality Growth. Ist das was für Sie?
Zurzeit sind wir klar mit Plain-Vanilla-Produkten aufgestellt, also den klassischen großen Indizes dieser Welt.
Gilt das auch für Themen-ETFs?
Grundsätzlich finden wir, dass Themen-ETFs eine interessante Ergänzung sein können. Generell halten wir breit aufgestellte Fonds für besser geeignet als ein reines Einzelinvestment. Das gilt im Eigen- und auch im Kundengeschäft. Oft haben Kundinnen und Kunden etwas über Einzelwerte gelesen und wollen an den sich bietenden dargestellten hohen Kurschancen profitieren. Wir beraten dahingehend, dass sie mit einem breiter gestreuten Index, der auch ein Themen-Index sein kann, besser aufgehoben sind. Damit verringern sie das unsystematische Risiko. Unternehmen wie Tesla oder Nvidia haben solche Risiken in den letzten Wochen deutlich gemacht. Wie im Depot-A gilt, dass man bei solchen Investments sehr sorgfältig das Wachstum der Erträge und die aktuelle Bewertung prüfen muss. Wer hierzu nicht über die notwendigen Informationen und Kenntnisse verfügt, sollte besser in einen Fonds investieren.
Zur Nachhaltigkeit. Sie haben ja schon gesagt, dass dies ein Thema im Eigengeschäft ist. Wie aber sieht das im Kundengeschäft aus? Wird das schon angenommen?
Wir verspüren eine Zunahme des Interesses und bieten entsprechend neue nachhaltige Produkte an. Die Renditeerwartung spielt natürlich weiterhin eine maßgebliche Rolle.Wobei das in der langfristigen Betrachtung kein Zielkonflikt sein muss.
Die Märkte können heftig schwanken und aus Gewinnen können schnell Verluste werden. Wie praktizieren Sie Risikokontrolle?
Wir betonen die Langfristigkeit der Aktienanlage. Sie ist bezüglich der Renditeerwartung anderen Anlageklassen überlegen, sofern man breit aufgestellt ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, kurzfristige Schwankungen auszuhalten. Selbstverständlich monitoren wir die Aktienkursentwicklung auf täglicher Basis und haben entsprechende Marktpreisrisikolimite eingerichtet.
Neben der reinen Risikokontrolle ist es für uns wichtig, dass wir auch in Schwächephasen des Aktienmarktes über ausreichende freie Limite verfügen, um nicht zur Glattstellung von Positionen gezwungen zu werden. Das muss grundsätzlich in der Anlagestrategie von vornherein beachtet werden. Bricht Panik aus, gibt es eine Übertreibung nach unten. Dies kann auch eine Chance zum antizyklischen Handeln sein. Entscheidend ist für uns immer die langfristige Werthaltigkeit der investierten Aktien.

Wir empfehlen eine Strategie der ruhigen Hand
Abteilungsdirektor Treasury, Sparkasse Oberhessen
Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?
Die ist zweifellos unübersichtlich. Was wird mit der Inflation? Wie werden sich die hohen Schulden in Europa und den USA auswirken? Wir empfehlen eine Strategie der ruhigen Hand. Die gilt für unser Eigen- und für das Kundengeschäft gleichermaßen. Rücksetzer sollte man mit aller gebotenen Vorsicht nutzen, um die Aktienquote günstig aufzustocken. Aktien sind aus unserer Sicht ein wichtiger Bestandteil der Asset-Allocation, um langfristig eine positive Realrendite zu erwirtschaften.