Interview mit Sven Stoll | “The Trend is Your (ETF)-Friend”
GSR wirbt mit dem Anspruch eines besonderen Investments. Was ist das Besondere an Ihrem Konzept? Welches Leistungsangebot bieten Sie, und wer sind die Kundinnen und Kunden?
Der von GSR initiierte Fonds ist im Prinzip eine Fondsvermögensverwaltung, die sich durch einen besonderen Managementansatz auszeichnet. Wir setzen konsequent auf das Best-of-Prinzip und stützen uns dabei auf drei Säulen. Im Mittelpunkt stehen Fonds, die von den unabhängigen Rating-Agenturen Scope, Lipper und Morningstar mit Topnoten ausgezeichnet wurden und deren Manager über mehrere Marktzyklen hinweg eine Outperformance erzielt haben. Diese sollten zudem unterschiedliche Ansätze und Philosophien vertreten. Idealerweise korrelieren die Fonds in bestimmten Marktphasen negativ miteinander. In der zweiten Säule konzentrieren wir uns auf Themen und Trends, also auf Märkte, denen wir ein hohes Performancepotenzial zutrauen. Die dritte Säule besteht aus neuen Fonds und jungen Fondsmanagerinnen und Fondsmanagern, die entweder erfolgreiche Wikifolios führen oder bei Wettbewerben wie den Future Funds Stars ausgezeichnet wurden. Unsere Kundinnen und Kunden kommen überwiegend aus dem Retailbereich. Sie investieren kleinere Beträge, nutzen Sparpläne oder fondsgebundene Versicherungen und profitieren von unserer Auswahl.
Wie wird das konkret umgesetzt?
Wir bieten zwei Dachfonds an. Der ALL-IN-ONE, der bei Universal aufgelegt ist, setzt überwiegend auf Aktien. Das Volumen beträgt rund 185 Millionen Euro. Der Multi Leaders ist als Multi-Asset-Fonds etwas konservativer ausgerichtet.
Das sind ja alles klassische aktive Fonds. Welche Rolle spielen denn bei Ihnen ETFs?
ETFs sind für uns die taktische Komponente. Wenn wir schnell auf Marktchancen reagieren wollen, ist das mit aktiven Fonds etwas schwierig. Ein häufiger Ein- und Ausstieg ist bei vielen Managerinnen und Managern nicht gern gesehen. Da können wir besser mit ETFs reagieren.
Wie wählen Sie ETFs aus? Es gibt ja unterschiedliche Indizes und Kosten.
Wichtigstes Kriterium ist stets die Performance im Vergleich zu anderen, auch aktiven Produkten. Zum Einsatz kommt unter anderem ein quantitatives Trendfolgemodell, das nach dem Prinzip „The Trend Is Your Friend“ handelt. Der zugrundeliegende Index sollte einen Aufwärtstrend oder Anzeichen einer Trendwende aufweisen. Ist der ETF in dieser Hinsicht aussichtsreich, spielen die Kosten, insbesondere die Tracking Difference, sowie die Fondsgröße eine zentrale Rolle. Je größer der Fonds, desto höher die Liquidität und desto besser die Handelsmöglichkeiten.
Wie groß ist der ETF-Anteil in Ihren Dachfonds?
Der Anteil ist derzeit gering, kann aber in bestimmten Situationen schnell steigen. Beispielsweise wollten wir 2022 in die Türkei und Ölwerte investieren und haben ETFs gewählt. Natürlich sind wir uns bewusst, dass Trends schnell enden können. Deshalb setzen wir auf Limits und Stop-Loss. Dreht der Markt, steigen wir aus. Genau das war bei der Türkei der Fall. Aktuell sind wir wieder über einen Osteuropa-Fonds mit Türkei-Exposure investiert.
Agieren Sie nur mit Plain-Vanilla-ETFs, also mit klassischen Indizes? Oder greifen Sie auch zu Strategie-ETFs und Faktor-ETFs, in denen dann Kriterien wie High Quality, Dividenden oder Momentum zum Tragen kommen?
Wir schließen keine ETF-Kategorie aus, entscheidend ist immer der Trend. So passt beispielsweise der Momentum-Ansatz hervorragend zu unserem Trendfolgesystem. Allerdings prüfen wir zugrundeliegende Strategien sorgfältig, um sicherzustellen, dass sie zu unserem Gesamtkonzept passen.
Dann sollten Sie auch keine Vorbehalte gegen Themen-ETFs haben, die viele Vermögensverwaltungen nur sehr vorsichtig anfassen?
Nein, wenn der Trend stimmt, greifen wir zu. 2022 war das zum Beispiel der Energiesektor, 2023 waren es Halbleiter. Wir sind uns aber bewusst, dass auch erfahrene Anlageprofis Fehler machen können. Oft steigen viele Anlegerinnen und Anleger erst ein, wenn ein Trend schon weit fortgeschritten ist. Deshalb haben solche Investments für uns nur eine ergänzende Rolle. Sie sind eine taktische Beimischung in unserem Portfolio.
Nachhaltigkeit gilt als wichtiges Anlagethema. Dazu muss ja in der Beratung inzwischen auch immer hingewiesen werden. Wie halten Sie es mit der Nachhaltigkeit im Anlageprozess?
Nachhaltigkeit ist für uns nicht das entscheidende Kriterium, die finanzielle Performance steht im Vordergrund. ESG-Kriterien können in Einzelfällen relevant sein, grundsätzlich investieren wir aber ohne spezifische Ausschlusskriterien. Viele ESG-Kriterien erscheinen uns nicht sehr schlüssig. Ein Beispiel ist die Kernenergie: Einige halten sie für nachhaltig, weil sie weitgehend CO2 -frei ist, andere lehnen sie wegen der Risiken radioaktiver Abfälle und möglicher Unfälle ab. Ähnlich verhält es sich mit der Elektromobilität: Sie verursacht zwar keine direkten CO2 -Emissionen, aber bei der Herstellung der Batterien können erhebliche Umweltschäden entstehen. Deshalb halten wir uns in diesen Fragen lieber zurück.
Noch einmal genauer zum Risikomanagement. Sie haben ja schon über die Diversifikation von Strategien bei den aktiven Fonds gesprochen und über die Stop-Loss-Marken. Nutzen Sie dazu die Charttechnik?
Technische Indikatoren wie gleitende Durchschnitte helfen uns, geeignete Ein- und Ausstiegszeitpunkte zu identifizieren. So sind wir in China derzeit nicht investiert, da der übergeordnete Trend klar nach unten zeigt. Ähnliches gilt für den Bereich Clean Energy: Trotz langfristigem Potenzial halten wir uns auch hier aufgrund der Charttechnik zurück.
Dann brauchen wir zum Schluss noch die aussichtsreichsten Trends zurzeit. Worauf setzen Sie?
Neben unseren globalen Aktienfonds setzen wir im defensiven Bereich beispielsweise auf Schweizer Dividendentitel und US-Versicherer. Aktuelle Trendthemen sind Indien, Cybersecurity, Goldminen, Frontier Markets und unterbewertete Small Caps. Nebenwerte neigen zwar zu stärkeren Kursschwankungen. Wenn sich aber das Zinsumfeld und die Konjunkturdaten verbessern, dürften Small Caps überproportional profitieren. In den USA könnten Aktien aus der zweiten Reihe wieder der Renner werden, insbesondere wenn nach den Präsidentschaftswahlen Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Binnenkonjunktur zu stärken.