Makro Research mit Dr. Ulrich Kater |
Weitere Leitzinssenkungen voraus

Der Börsenmonat August hatte ernüchternd begonnen, aber freundlich geendet. Der Deutsche Aktienindex legte im August um knapp 400 Indexpunkte zu. Zwei Risiken im Zusammenhang mit dem Kursrutsch der ersten Augusttage haben sich glücklicherweise nicht materialisiert. Die Rezessionssorgen für die USA sind angesichts der zuletzt veröffentlichten recht positiven US-Konjunkturdaten geschwunden. Zudem ist es auch nicht zu einer markttechnischen Abwärtsspirale gekommen, die aus der Marktkorrektur Anfang August durchaus hätte resultieren können. Damit hat sich die Risikowahrnehmung insgesamt wieder verringert und wir können unser Basisszenario quasi unverändert beibehalten.

Angesichts der jüngsten Entspannung können sich die Finanzmärkte nun wieder den vertrauten Herausforderungen stellen, nämlich den Perspektiven für die Geldpolitik. Bezüglich der US-Notenbank Fed wird zwar am Markt vereinzelt noch mit großen Zinssenkungsschritten um 50 Basispunkte geliebäugelt. Eine solch starke Senkung erscheint uns jedoch nicht geboten. Auf den noch anstehenden drei Sitzungen in diesem Jahr sollte es unseren Prognosen zufolge jeweils um 25 Basispunkte nach unten gehen. Auch die Europäische Zentralbank dürfte die geldpolitische Lockerung in moderatem Tempo vorantreiben, mit zwei weiteren Leitzinssenkungen in diesem Jahr und dem Erreichen des neutralen Niveaus von 2 % beim Einlagensatz im Frühjahr 2026. Aus Sicht der EZB sowie der Fed liegt die jeweilige Dienstleistungsinflation noch zu hoch, und es ist nur mit einem zähen Nachlassen zu rechnen. Die Marktteilnehmer werden sich in den kommenden Monaten immer wieder fragen, ob der geldpolitische Kurs – in die eine oder in die andere Richtung – angepasst werden muss. Dies dürfte mit phasenweise volatileren Aktien- und Rentenmärkten einhergehen. Insgesamt halten wir aber an unserem schon länger gezeichneten Bild fest, dass die anstehende geldpolitische Lockerung die konjunkturelle Entwicklung unterstützen und zu konstruktiven Perspektiven für Wertpapieranlagen beitragen wird.

Konjunktur Industrieländer

Deutschland

Der Abwärtstrend der Stimmungsindikatoren setzte sich zuletzt fort. Vieles deutet darauf hin, dass sich die für das zweite Halbjahr erwartete konjunkturelle Erholung zeitlich nach hinten schiebt. Neben den ernüchternden Daten spielt die Geopolitik hierbei eine wichtige Rolle. Zwar ist inzwischen ein Wahlsieg Donald Trumps nicht mehr ausgemachte Sache, doch sorgen die Entwicklungen in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten weiter für Unsicherheit und Unbehagen. Auch der Ausgang der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sowie die Orientierungslosigkeit der deutschen Politik wirken sich dämpfend auf die Unternehmenszuversicht aus.

Prognoserevision: Abwärtsrevision der Inflation für 2024 und 2025.

Deutschland: Bruttoinlandsprodukt
Deutschland: Bruttoinlandsprodukt

Euroland

Es bleibt bei einer geteilten wirtschaftlichen Entwicklung in Europa. Darauf deuten die Stimmungsindikatoren für das dritte Quartal hin. Während in Spanien die Wirtschaft unter Volldampf läuft und Frankreich sowie Italien sich ganz gut halten, hinkt Deutschland spürbar hinterher. Die Industrieschwäche ist in Deutschland besonders stark ausgeprägt. Die Inflationsrate im Euroraum ist im August auf 2,2 % gefallen. Dabei hat ein deutlicher Rückgang der Energiepreiskomponente um 3 % geholfen. Bei den Dienstleistungspreisen gab es hingegen einen kräftigen Anstieg um mehr als 4 %. Die Unterschiede zwischen den vier großen EWU-Ländern waren gering. Die Inflationsraten lagen im Bereich von 2,4 % (Spanien) und 1,3 % (Italien). Dazwischen reihten sich Deutschland (2,0 %) und Frankreich (2,2 %) ein.

Euroland: Bruttoinlandsprodukt
Euroland: Bruttoinlandsprodukt

USA

Weiterhin sind die Anzeichen für eine unmittelbare wirtschaftliche Abschwächung dünn gesät: Die Stimmung der Unternehmen ist zwar insgesamt eher mau, und ihre Investitionspläne haben sich im August etwas verschlechtert. Aber von einer rezessiven Entwicklung kann nicht gesprochen werden. Die privaten Haushalte steigern weiterhin relativ kräftig ihre Konsumausgaben, wenngleich dies im Zuge einer niedrigeren Sparquote erfolgt. Die Zinsbelastung der privaten Haushalte ist weiterhin sehr hoch, jedoch ermöglicht es die zuletzt wieder schwächere Preisentwicklung der Fed, im September die Leitzinswende einzuläuten. Dies haben die Zinsmärkte bereits vorweggenommen, sodass sich zeitverzögert die Entlastung für die Privathaushalte bemerkbar machen sollte.

Prognoserevision: Leichte Aufwärtsrevision der Bruttoinlandsprognose für 2024.

USA: Bruttoinlandsprodukt
USA: Bruttoinlandsprodukt

Märkte Industrieländer

Europäische Zentralbank / Geldmarkt

In den vergangenen Wochen standen sich eine hartnäckig hohe Kerninflation und ein nachlassender Anstieg der Löhne gegenüber. Dies dürfte die EZB in ihrer Einschätzung bestärken, dass in der näheren Zukunft eine weiterhin restriktive Geldpolitik angemessen ist, sie sich mittelfristig jedoch einer neutralen Ausrichtung annähern sollte, um das Wirtschaftswachstum nicht unnötig zu belasten. Wir rechnen daher weiterhin mit Leitzinssenkungen im Quartalsrhythmus, bis der Einlagensatz ein Niveau von 2,0 % erreicht hat. Demgegenüber würden schnellere Zinsschritte oder eine Lockerung bis in den expansiven Bereich unseres Erachtens voraussetzen, dass eine steigende Arbeitslosigkeit dämpfend auf die Entwicklung von Löhnen und Preisen wirkt. Mit dem engeren Zinskorridor zwischen Hauptrefinanzierungs- und Einlagensatz tritt im September das erste wichtige Element des neuen Operationsrahmens der Geldpolitik in Kraft. Aufgrund der nach wie vor hohen Überschussreserven dürfte dies jedoch noch keine nennenswerten Auswirkungen auf die Geldmarktsätze haben.

EZB: Hauptfinanzierungsansatz
EZB: Hauptfinanzierungsansatz

Rentenmarkt Euroland

Sorgen über die Entwicklung der Weltwirtschaft, die seit Ende Juli global zu einem deutlichen Rückgang der Renditen risikoarmer Staatsanleihen geführt hatten, erwiesen sich als übertrieben. Dennoch haben die Marktteilnehmer ihre Erwartungen über bevorstehende Leitzinssenkungen der EZB nicht wesentlich zurückgeschraubt. Unseres Erachtens haben die Renditen von Bundesanleihen für die kommenden Monate bereits etwas zu viel an geldpolitischer Lockerung vorweggenommen, sodass wir zunächst mit einer Seitwärtsbewegung rechnen. Erst im kommenden Jahr sollte die Fortsetzung der quartalsweisen Leitzinssenkungen erneut zu einer vom kurzen Ende ausgehenden Versteilerung der Bundkurve führen. Trotz sinkender Renditen von US-Treasuries sehen wir dabei für das lange Ende nur noch begrenzten Spielraum nach unten.

Bundesanleihen: Renditen in % p.a.
Bundesanleihen: Renditen in % p.a.

Devisenmarkt: EUR-USD

Von Anfang bis Ende August hat der Euro recht deutlich aufgewertet. Der Wechselkurs stieg von 1,08 auf 1,12 USD je EUR, ist danach aber wieder leicht gesunken. Die US-Dollar-Stärke lässt mit dem Näherrücken der Leitzinswende der US-Notenbank langsam nach. Und auch der Euro konnte mit einer Reihe von zuversichtlich stimmenden Makro-Indikatoren für Euroland zuletzt punkten. Dazu zählen die soliden Zahlen zum Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal sowie die anhaltend gute Stimmung im Dienstleistungssektor, was für nachhaltiges Wachstum in Euroland spricht. Somit festigt sich die Perspektive für eine langsame Euro-Erholung. Die Chancen stehen gut, dass der Wechselkurs die Marke von 1,10, die seit Anfang 2023 den oberen Rand seines Schwankungskorridors markierte, nun nachhaltig überschritten hat.

Wechselkurs EUR-USD
Wechselkurs EUR-USD

Aktienmarkt Deutschland

Die deutsche Volkswirtschaft zeigt weiterhin keinerlei Aufwärtsdynamik. Im Gegenteil, zuletzt hat sich das Stimmungsbild der Unternehmen sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch bei den Dienstleistern sogar erneut verschlechtert. Dies zeigt, wie schwer es für die deutsche Volkswirtschaft wird, die Kombination aus konjunkturellen und strukturellen Problemen zu überwinden. Dass die Kurse des DAX dennoch auf neue Rekordstände geklettert sind, liegt vor allem an den stabilen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Für die global aufgestellten DAX-Unternehmen bleibt die Entwicklung der Weltwirtschaft der entscheidende Faktor. Sie legt die Grundlage für leicht ansteigende Unternehmensgewinne. In Kombination mit einer nur moderaten Bewertung und schrittweise niedrigeren Leitzinsen spricht dies für eine Konsolidierung der Kurse auf den Anfang September erreichten Rekordständen und begrenzt das Abwärtspotenzial in volatilen Gesamtmarktphasen.

Prognoserevision: Leichte Abwärtsrevision auf Sicht von 3 Monaten.

Aktienmarktprognose
Aktienmarktprognose

Unternehmensanleihemarkt Euroland

Nach dem kurzen Schrecken Anfang August aufgrund einiger enttäuschender US-Wirtschaftsindikatoren haben sich Risikoassets sehr schnell wieder gefangen. Vor allem Kreditderivate waren gesucht und die iTraxx Indizes fielen in die Nähe der Jahrestiefstände. Kassa-Anleihen aus dem Unternehmenssektor konnten dem positiven Trend nicht ganz folgen. Sie litten unter der kräftigen Wiederaufnahme der Neuemissionstätigkeit nach der Sommerpause und dem aggressiven Pricing der Emittenten. Die Nachfrage nach neuen Anleihen ist zwar unverändert hoch, doch die niedrigen Neuemissionsspreads lassen kaum Platz für eine positive Performance im Sekundärmarkt. Hiervon werden auch ausstehende Altanleihen belastet. Gute Unternehmensergebnisse und die Erwartung weiterer Zinssenkungen bieten weiterhin eine starke Unterstützung für die Kreditmärkte.

iTraxx Europe (125)
iTraxx Europe (125)

Emerging Markets

Märkte

Die Sorge um eine ausgeprägte Schwäche der US-Wirtschaft hat die globalen Aktienmärkte Anfang August nur für kurze Zeit verunsichert. An der folgenden Erholung haben Schwellenländeraktien einmal mehr nur unterdurchschnittlich partizipiert. EM-Hartwährungsanleihen haben stärker vom Renditerückgang am US-Rentenmarkt profitiert als EM-Lokalwährungsanleihen, bei denen sich die relative Stärke des Euros negativ bemerkbar gemacht hat. In den kommenden Monaten erwarten wir weitere Renditerückgänge an den internationalen Rentenmärkten, weil die US-Notenbank ab September die Leitzinsen in schneller Folge senken dürfte. Hierdurch erhalten auch in den Schwellenländern die Notenbanken wieder mehr Spielraum für eine geldpolitische Lockerung. Die Unsicherheit über den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl dürfte Schwellenländerinvestoren zunächst noch abwartend agieren lassen, doch erscheint es auch im Falle eines Sieges von Donald Trump wahrscheinlich, dass die Inflationsrisiken weiter sinken und die Weltwirtschaft auf moderatem Wachstumskurs bleibt, was Schwellenländeranlagen unterstützen würde.

EMBIG-Spread
EMBIG-Spread

Szenarien

Wir haben unsere Szenarien unverändert gelassen und die Eintrittswahrscheinlichkeit der Negativszenarien zulasten der Positivszenarien angehoben.

Basisszenario (Wahrscheinlichkeit: 70 %)

Anpassungen nach der Ausnahmesituation durch die Corona-Pandemie und der langen Jahre der Nullzinspolitik verlaufen überraschend geschmeidig. Weltwirtschaft wächst mit durchschnittlich rund 3 % pro Jahr.

Deglobalisierung, Demografie und Dekarbonisierung halten perspektivisch den Inflationsdruck erhöht und dämpfen das globale Wachstum.

Notenbanken halten Leitzinsen für längere Zeit oberhalb der neutralen Niveaus, um sicherzustellen, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen im Zielbereich von 2 % verankert bleiben. Leitzinssenkungen erfolgen in Abhängigkeit von der Inflationsentwicklung, längere Zinssenkungspausen sind durchaus möglich.

Die Lockerung der Geldpolitik wird perspektivisch Konjunktur und Kapitalmärkte stützen. Die Fiskalpolitik bleibt angesichts struktureller Herausforderungen (wie Klimawandel, Sozial-versicherungssysteme, Demografie usw.) global eher expansiv. Allgemein ist ein Trend zu höherer Staatsverschuldung zu beobachten.

Für Europa und insbesondere für Deutschland ist im Jahr 2024 noch ein schwaches Wachstum zu erwarten. Die US-Wirtschaft zeigt sich robuster.

In China begrenzen die zunehmende staatliche Regulierung und die Korrektur im Immobiliensektor das Wachstum.

Aktienmärkte bewegen sich moderat aufwärts mit hohen Schwankungen. Sie profitieren vom globalen Wachstum und vom Umbau der Wirtschaft mit Blick auf Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Zinsen dürften tendenziell Inflationsraten nur knapp übertreffen. Kaufkrafterhalt der Geldanlagen funktioniert am besten über breit gestreute Wertpapieranlagen, allerdings unter Inkaufnahme von Wertschwankungen.


Negativszenario (Wahrscheinlichkeit: 20 %)

Stark steigende Staatsverschuldung löst regionale bzw. globale Schuldenkrisen aus und birgt das Risiko einer umfassenden Finanzkrise bzw. in Euroland eines erneuten Infragestellens der Währungsunion.

Einführung neuer Handelsbeschränkungen durch die USA führt zu einem Handelskrieg mit China, der auch Europa erfasst und das globale Wachstum empfindlich bremst.

Dramatische Eskalation des Russland-Ukraine-Kriegs oder des militärischen Konflikts im Nahen Osten mit Ausweitung auf weitere Länder. Infrastruktur-Sabotage als Mittel der unkonventionellen Kriegsführung. Anhaltende Ost-West-Konfrontation bzw. die Verschiebung globaler politischer Gewichte zugunsten autoritärer Regime verringert positive Wachstumswirkungen der Globalisierung.

Zweitrundeneffekte bei der Inflation setzen Lohn-Preis-Spirale in Gang und führen für lange Zeit zu deutlich höheren Inflationsraten. Notenbanken sehen sich dadurch zu einer nochmaligen Straffung der Geldpolitik gezwungen, die eine massive Rezession auslöst.


Positivszenario (Wahrscheinlichkeit: 5 %)

Inflationsraten gehen innerhalb kürzester Zeit zurück und bleiben dann im Bereich der Notenbankziele. Notenbanken können Zinsen schnell auf neutrale Niveaus zurücknehmen.

Einfrieren der geopolitischen Konflikte führt zu zügiger Beruhigung von Wirtschaft und Finanzmärkten.

Kräftige Gewinnanstiege der Unternehmen lassen Aktienkurse deutlich steigen und wirken als Triebfeder für die Investitionsdynamik.

Überraschend starke Wachstumsdynamik in den Emerging Markets mit Schubwirkung für globale Wirtschaft.

Disclaimer

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