Interview mit Oliver Heller | „Drawdowns ohne Eingriffe überstehen“
A/VENTUM firmiert als Family Office. Wer ist Ihre Kundschaft und welche Leistungen bieten Sie?
Wir verstehen uns als Gesamtkümmerer. Unser Beratungsangebot, zusammen mit unserem Netzwerk, ist umfassend für das Wirtschaftsunternehmen Familie. Es umfasst unter anderem die Finanzplanung, das Generationenmanagement mit der Nachlassplanung oder auch das Kreditmanagement. Grundsätzlich beginnt der Prozess mit der Erfassung, Darstellung und Konsolidierung der gesamten finanziellen Situation. Dabei kann es auch um rechtliche, steuerliche und unternehmerische Komponenten gehen. Unsere Botschaft ist, dass die Kundin oder der Kunde mit unserer Hilfe keine finanziellen Fehler macht. Wenn ich auf unsere Gesamtkundschaft schaue, dann sind 95 Prozent Selbständige, Unternehmerinnen und Unternehmer oder Ruheständler, die ihre Unternehmen an die nächste Generation übergeben oder verkauft haben.
Ich vermute mal, ihre Kundinnen und Kunden sollten ein ordentliches Vermögen haben.
Natürlich müssen Sie unser Honorar bezahlen können, und das lohnt sich nur, wenn das Vermögen entsprechend groß bzw. die finanzielle Situation komplex ist. Wir rechnen auf Stundenbasis ab. Wichtig für uns ist, dass wir mit der Kundschaft eine gute Beziehung eingehen, die beiden Seiten Freude macht.
Wenn es zur Finanzplanung kommt, dann geht es meist auch um die konkrete Vermögensanlage. Verfolgen Sie da eine übergeordnete Philosophie oder Strategie? Sie versprechen ja, dass es keine Fehler geben soll.
Zunächst muss ich dazu sagen, dass das Family Office im Prinzip nur Anlageberatung nach §34f GewO bietet. Kommt es zur Vermögensverwaltung, was sich nicht zwangsläufig aus der Beratung ergibt, übernimmt unser Schwesterunternehmen Kidron Vermögensverwaltung, das die Zulassung nach Paragraph 32 KWG hat, die konkrete Umsetzung in verschiedenen zur Verfügung stehenden Formaten. Wir stülpen unseren Mandaten keine Anlagephilosophie über, sondern die ergibt sich aus den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden. Im Prinzip kann man sagen, dass ein Großteil der Vermögen direkt in den eigenen Unternehmen und Immobilien der Mandanten steckt. Aber wenn wir über die Welt der Börsen und der Wertpapiere sprechen, dann haben wir natürlich eine Anlagephilosophie, die über die Jahre gereift ist. Wir sind überzeugt, dass es für aktive Manager sehr schwer ist, Standard-Aktienmärkte wie zum Beispiel den S&P 500 zu übertreffen. Dort tendieren wir in den von uns beratenen Lösungen durchaus zu passiven Instrumenten. In Nischen sieht das anders aus. Ein Manager für UK Small Caps zum Beispiel kann nach unserer Überzeugung durchaus ein Alpha herausarbeiten.
Das klingt so, als wenn Sie überwiegend in ETFs investieren?
Die vom A/VENTUM family office verantworteten Anlagen sind in der Tat zu mehr als 50 Prozent passiv angelegt. Das sind nicht nur ETFs sondern auch indexnahe Anlagevehikel.
Bleiben wir als Beispiel bei den ETFs. Es geht zunächst immer um den richtigen Index und die globale Verteilung der Gelder. Wie gehen Sie vor?
Das stimmen wir natürlich mit der Kundschaft ab. Im Prinzip aber verteilen wir das Geld global top-down. Zu je etwa der Hälfte orientieren wir uns an der Marktkapitalisierung und an den Bruttoinlandsprodukten. Wir sprechen jetzt über Aktien. Aber ich muss erwähnen, dass wir natürlich auch Kundinnen und Kunden haben, die kein Geld in Aktien anlegen, weil sie zum Beispiel im Ruhestand höchste Sicherheit ohne Schwankungen bevorzugen. Wenn es aber um die Aktienmärkte geht, allokieren wir 30 Prozent in Nordamerika, 30 Prozent in Europa inklusive UK, 30 Prozent in Emerging Markets sowie zehn Prozent in Japan und der entwickelten pazifischen Region.
Bleiben Sie damit bei Plain Vanilla, also den Standardindizes? Oder nutzen Sie auch Strategie-ETFs mit zusätzlichen Faktoren?
Wir haben ein eigenes Sieben-Faktoren-Modell, das auf dem Fünf-Faktoren Ansatz von Fama / French aufbaut, aber eben um zwei erweitert wird. Die Faktoren nach Fama / French sind Marktrisiko, Unternehmensgröße, Value, Profitabilität und sorgsames Investitionsverhalten. Wir verwenden zusätzlich die Faktorprämie „Political Risk“, weil wir eine überdurchschnittliche Emerging-Markets-Quote fahren sowie den Faktor „Leverage“, also eine punktuell sinnvolle Ausdehnung der Investitionsquote. Das lässt sich nach unseren Erfahrungen gut mit ETFs umsetzen.
Nutzen Sie dazu auch aktive ETFs?
Wenn diese strikt regelgebunden agieren, sind sie für uns Smart-Beta-Strategien und können in Frage kommen. Wenn dahinter aber diskretionäre Entscheidungen stehen, lassen wir die Finger davon.
Sie können aber auch auf spezielle Themenfonds setzen, aktuell zum Beispiel New Energy oder Künstliche Intelligenz.
Solche Themen sind immer auch bereits in den breiten Indizes mit den aktuell marktbepreisten Quoten enthalten. Themenfonds als zusätzliche Satelliten nutzen wir nicht. Da gibt es oft Übertreibungen oder Modethemen, die teuer sind.
Wie gehen Sie mit dem Thema Nachhaltigkeit um? Dazu gibt es ja ESG-gefilterte ETFs.
Nachhaltigkeit hat unsere Branche eine gute Zeit lang intensiv beschäftigt. Ältere und Jüngere in unserer Kundschaft, die gut informiert sind, interessieren sich in der Tat dafür. Die Begeisterung zur Nachhaltigkeit hat etwas nachgelassen, bedingt vor allem durch den Ukraine-Krieg, die Haltung zur Rüstung, die man als friedensstiftend und somit nachhaltig interpretieren kann, sowie die Einstellung zur Atomkraft, mit der weitgehend CO2-neutral Energie erzeugt werden kann. Aber wir bieten für entsprechenden Aktienstrategien auch jeweils ESG-gefilterte Lösungen an.
Wie gestalten Sie das Risikomanagement? Die Marktschwankungen können erheblich sein.
Unser Risikomanagement findet primär auf der Kundenebene statt. Im Rahmen der Finanzplanung prüfen wir bei unseren Kunden, welches Geld wie lange dem Risiko der Kapitalmärkte ausgesetzt werden kann. Dazu kreieren wir für das gesamte Vermögen Zeitpäckchen. Geht es um einen Vermögensanteil, der innerhalb eines Jahres benötigt wird, wird der in Tagesgeld angelegt. Dann gibt es ein Zeitpäckchen für das Geld, das zwischen ein bis drei Jahre nicht benötigt wird. Dieses enthält keine Aktien, sondern nur festverzinsliche Wertpapiere oder Absolut-Return-Lösungen. Für das Päckchen mit drei bis sechs Jahren wird ein Drittel in Aktien angelegt. Für sechs bis zehn Jahre beträgt die Aktienquote dann zwei Drittel. Über zehn Jahre Horizont steigt die Aktienquote auf 100 Prozent. Darüber sprechen wir vor der Investition intensiv mit den Kunden, damit klar ist, dass diese Töpfe nicht angerührt werden, wenn die Märkte gerade mal wieder auf dem Weg nach unten sind. Mit einem Horizont von mehr als zehn Jahren kann ich einen oder mehrere Draw-downs überstehen. Nach unserer Erfahrung sind technische Risikomanagementsysteme, also zum Beispiel mit trendfolgendem Momentum, Renditefresser. Das gilt auch für Absicherungen mit Optionen. Haben wir uns mit der Kundschaft auf die entsprechenden Töpfe und Zeitpäckchen verständigt, können wir ohne Eingriffe durch die Durststrecken hindurchmarschieren und dadurch die volle Kapitalmarktrendite der ausgewählten Anlageklassen verdienen.
Passen Sie überhaupt nichts an? Manchmal sind ja Drawdowns auch gute Kaufgelegenheiten.
Ja, in der Tat machen wir ein statisches Rebalancing der Töpfe. Viermal im Jahr kaufen wir ein bisschen nach, was gefallen ist und verkaufen etwas von dem, was stark gestiegen ist. Das hat sich seit 30 Jahren immer wieder bewährt. Zu erwähnen ist, dass unsere Kundschaft oft aus dem Unternehmerbereich kommt und deshalb mit der Risikoeinordnung lediglich temporärer Bewertungsschwankungen relativ gut umgehen kann. Das Aushalten temporärer Rückgänge kann sozusagen als Einsatz für eine sehr gute Langfristrendite verstanden werden. Unsere Kundschaft versteht das.
Jetzt müssen wir noch über die Rentenseite sprechen. Decken Sie diese auch mit ETFs ab?
Dort sind wir tatsächlich gemischt unterwegs. Wir versuchen, einen passenden ETF oder einen Anlageklassenfonds zu finden. Aber wir schauen genauso auf Manager, die über ein solides Setup verfügen und in der Vergangenheit den Markt geschlagen haben. So vergleichen wir aktive Manager und ETFs. Wir nutzen beide. Das Übergewicht liegt zurzeit bei aktiven Managern. Nehmen wir ein Beispiel: EUR-Investment Grade Credit-Fonds. Die hatten wir mit einem ETF und drei aktiven Managern abgedeckt. Der Knochen ist hier u.E. aber schon wieder weitgehend abgefressen, und so haben wir hier bereits fast alles wieder verkauft.
Natürlich beschäftigen wir uns mit den Makrodaten und -Ereignissen. Wir reden mit unserer Kundschaft und wir müssen wissen, wo die Märkte stehen.
Schauen Sie mit Ihrem Ansatz auf die aktuelle Entwicklung nach den kräftigen Zinssenkungen der Notenbanken? Werden Ihre Anlageentscheidungen davon betroffen?
Natürlich beschäftigen wir uns mit den Makrodaten und -Ereignissen. Wir reden mit unserer Kundschaft und wir müssen wissen, wo die Märkte stehen. Wir kennen tendenzielle Überbewertungen, wie die Magnificent Seven, oder tendenziell aktuelle Unterbewertungen bei den Small-Caps. Aber unsere Anlageentscheidungen werden davon kaum betroffen. Niemand weiß, was im Laufe des nächsten Jahres genau passiert. Aber mit Sicht auf zehn Jahre und mehr kann ich meinen Kundinnen und Kunden schon relativ klar sagen, mit welchen Renditemotoren bzw. Anlageklassen sie gutes Geld verdienen können. Und darauf bauen wir.