Interview mit Matthias Schilling | „Der nächste Stresstest kommt bestimmt“
Sie sind für das Eigengeschäft im Depot A und für das Treasury der Sparkasse zuständig. Aber Sie haben auch das Kundengeschäft im Blick, sei es nun institutionell oder privat. Ganz generell gefragt: Welche Rolle spielen dabei ETFs?
Immer wenn wir ganze Anlageklassen abbilden wollen, insbesondere auf der Aktienseite, greifen wir zu ETFs. Sie sind wirklich einfach, transparent, und kostengünstig. Für mich ist das mehr als modern.
Gibt es so etwas wie eine übergreifende Anlagephilosophie. Sie müssen die Balance zwischen Risiko und Ertrag wahren.
Das kommt immer auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen an. Die sind im Depot A sehr viel strenger und mehr sicherheitsorientiert. Im Kundengeschäft können wir je nach Wunsch auch risikobereiter agieren. Für ETFs benötige ich immer eine klare Marktmeinung. Habe ich die, sind sie das erste Mittel der Wahl. Habe ich die nicht, oder ist der Zugang zu Märkten schwierig, greife ich lieber zu einem aktiven Fonds, der normalerweise von einem echten Spezialisten gemanagt wird.
Nutzen Sie auch Einzelwerte?
Ja, wenn es dem Kundenwunsch entspricht. Das bezieht sich vor allem auf die Aktienseite. Für uns selber gilt, dass auf der Rentenseite zur Zinsbuchsteuerung, wo es meist auch hohe Mindestvolumina gibt, Einzelwerte das Mittel der Wahl sind. Für Kundenportfolios, in denen es je nach Risikopräferenz auch Zinspapiere gibt, prüfen wir ebenfalls, ob Einzelwerte oder aktive Fonds die bessere Variante sind.
Wie wählen Sie im Einzelnen die ETFs aus? Sie haben ja Unterschiede bei den Indizes, den Replikationsmethoden und den Kosten.
Die Kosten sind natürlich wichtig, aber kommen nicht an erster Stelle. Wichtiger ist für uns die Qualität der Anbieter, was wir uns im Idealfall über mehrere Börsenzyklen anschauen. Wie ist die Liquidität? Wie eng sind die Spreads? Wie akkurat wird der Index abgebildet? Dazu möchte ich sagen, dass die Deka hier nach unserer Erfahrung sehr gute Arbeit leistet. Generell wählen wir nur ETFs mit physischer Hinterlegung aus. Im Eigengeschäft kommt hinzu, dass wir uns auf Non-Financials beschränken. Denn wenn wir ETFs kaufen, in denen Finanzwerte enthalten sind, müssen wir diese mit Eigenkapital unterlegen. Und Eigenkapital ist ein knappes Gut.
Nutzen Sie nur Plain Vanilla, also Standard-ETFs? Oder greifen Sie auch zu Strategie-ETFs oder sogar aktive ETFs, die schon für das Management mehr Freiheitsgrade bieten.
Klipp und klar: Wir setzen auf Plain Vanilla. Wenn wir mehr Aktives wollen, dann wählen wir wirklich aktive Manager aus, und nicht aktiv-passive Zwitter.
Wie halten Sie es mit Themen-ETFs?
Die bieten wir Stand heute nicht an, auch nicht im Kundengeschäft. Wir setzen auf Klassiker wie den MSCI World. Generell bin ich bei Themenfonds skeptisch. Meine Erfahrung der vergangenen 25 Jahre ist, dass diese in der Regel zu spät aufgelegt werden, wenn der Hype seinen Höhepunkt erreicht. Außerdem habe ich bei den oft extrem hohen Bewertungen Bauchschmerzen.
Wie steht es um die Nachhaltigkeit, im Eigen- und im Kundengeschäft? Es gibt ESG-gefilterte Fonds, es gibt sogenannte Impact-Produkte.
Nachhaltigkeit ist für uns ein wichtiges Thema. Das Eigengeschäft lassen wir regelmäßig von externen Gutachtern prüfen. Gegenwärtig erfüllen wir die Anforderungen an Nachhaltigkeit deutlich. Auch im Kundengeschäft setzen wir ausgewählte Nachhaltigkeitsfonds ein.
Betreiben Sie aktives Risikomanagement? Oder präferieren Sie Buy and Hold?
Im Eigengeschäft definieren wir im Vorfeld, wie wir uns in verschiedenen Szenarien verhalten. So geraten wir in diesen oft volatilen Zeiten nicht unter Zugzwang. Im Corona-Crash haben wir uns so vorbereitet, dass wir nach Erreichen oder Unterschreiten einer bestimmten Marke eine Absicherung mit einem Hedge über Futures eingehen. Überwiegend haben wir jedoch feste Quoten für die einzelnen Anlageklassen, mit denen wir eine Buy-and-Hold-Strategie verfolgen. Im Kundengeschäft dominieren langfristige Sparpläne. Damit halten sich die Schmerzen in volatilen Märkten in Grenzen. Die Kundinnen und Kunden sparen weiter und kaufen in Schwächephasen einfach günstiger ein.
Hat das immer gut funktioniert? 2022 war ein schwieriges Jahr. Aktien wie Renten sind gefallen. 2023 bis heute lief es dann wieder besser.
Aufgrund unserer konservativen Strategie und der Absicherung unserer Zinsbuchsteuerung mit Swaps konnten wir 2022 gelassen meistern. Es gab keinen Anlass unsere grundsätzliche Strategie zu ändern. Die Erholung der Märkte hat danach diese Entscheidung bestätigt.
Wie beurteilen Sie die Großwetterlage an den Börsen jetzt? Politisch ist ja einiges in Bewegung geraten.
In der Tat hat die Präsidentschaftswahl in den USA und die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus die Lage verändert. Die Euphorie an den US-Märkten nach der Wahl halte ich jedoch für ungesund. Der nächste Stresstest kommt vor allem durch die hohe Verschuldung in den USA, aber auch in Europa. Zudem befürchte ich, dass die Notenbanken die Zinsen nicht mehr so stark senken werden, wie das zurzeit eingepreist ist. Auch macht mir die Bewertung der Technologiewerte Sorgen. Ich will das nicht mit dem Jahr 2000 vergleichen. Damals hatten die Firmen noch fast nichts verdient. Das ist jetzt meist anders. Aber die Bewertung ist einfach zu hoch und beginnt negativ auf den Börsen zu lasten. Wir selbst mit unseren Eigenanlagen, aber auch auf der Kundenseite fühlen uns mit Depots, in denen klassisch konservative Werte liegen, gut gewappnet.