Interview mit Daniel Schär |
„Am Anfang steht die Investmentidee“

Daniel Schär ist Leiter der Vermögensverwaltung der Weberbank Actiengesellschaft. Er erläutert den Einsatz von ETFs bei der Portfoliokonstruktion und die Gestaltung des Risikomanagements.

Sie präsentieren sich als Privatbank in Berlin. Wer sind Ihre Kundinnen und Kunden? Und was können Sie besser als die großen Geschäftsbanken?

Als Berliner Privatbankhaus konzentrieren wir uns auf vermögende Privatkundinnen und -kunden aus der Region Berlin und Brandenburg. Darüber hinaus sind wir deutschlandweit im institutionellen Bereich tätig, also für Stiftungen, Kirchen und Körperschaften. Schließlich arbeiten wir deutschlandweit mit Sparkassen zusammen, denen wir unsere Dienstleistung als Vermögensverwalter anbieten. Was zeichnet uns aus? Ich denke, das sind Ganzheitlichkeit und Individualität in der Betreuung. Wir wollen mit unseren Kundinnen und Kunden immer die für sie beste Lösung gemeinsam erarbeiten. Das geht oft über die eigentliche Vermögensanlage hinaus, zum Beispiel wenn es um die Vermögensweitergabe an die nächste Generation oder die Gründung einer Stiftung geht. Im Unterschied zu den Großbanken bieten wir hohe Personalkontinuität der Ansprechpartner. Das wird von unseren Kundinnen und Kunden sehr geschätzt.

Gibt es so etwas wie eine übergeordnete Anlagephilosophie?

Wir verfolgen drei Grundprämissen bei der Vermögensverwaltung. Das sind Verantwortung, Unabhängigkeit und Transparenz. Die von uns betreuten Vermögen wurden oft ein Leben lang erarbeitet. Diese gilt es zu erhalten und zu mehren. So achten wir sehr stark auf Substanz und Ertragsgüte bei unseren Anlagen. Im Aktienbereich favorisieren wir dementsprechend Qualitätsaktien. Wir legen langfristig und systematisch an, laufen keinen kurzfristigen Trends hinterher und sind international orientiert. Nachhaltigkeit ist uns wichtig. Wir sind Unterzeichner der UN Prinzipien für nachhaltiges Investieren und vermeiden grundsätzlich Investitionen in Unternehmen, die dem United Nations Global Compact nicht entsprechen. Das gilt für alle Mandate unserer rund acht Milliarden Assets under Management.

Welche Rolle spielen dabei ETFs?

Wir nutzen ETFs schon seit ihrer Einführung zur Jahrtausendwende in Deutschland. Zunächst waren es klassische Indexprodukte. Inzwischen ist das Angebot an Anlageklassen und Strategien sehr vielfältig geworden, was ETFs für uns als Vermögensverwalter sehr spannend macht. Jetzt sind rund zwei Drittel unserer reinen Fondsportfolios durch ETFs abgedeckt. Ursprünglich hatten wir im Rahmen unserer Open Architecture auch viele andere Manager eingesetzt. Aber in den Krisen der letzten Jahre hat sich gezeigt, dass diese kaum noch Mehrwert erzielten, was aktuell zur stärkeren Ausrichtung auf ETFs führte.

Wie wählen Sie ETFs aus? Es gibt ja immer mehrere Anbieter und entsprechend auch unterschiedliche Konditionen.

Am Beginn steht die Investmentidee, es geht also zunächst um den besten Index und die besten Produkte darauf. Aus regulatorischer Sicht müssen wir uns immer für den günstigsten ETF entscheiden und das auch begründen können. Wir bevorzugen physisch replizierende ETFs. Mit denen können wir die Portfolios transparenter gestalten. Wegen der steuerlichen Vorabpauschale bevorzugen wir ausschüttende Fonds. Wenn wir zu besonderen Nachhaltigkeitsprodukten greifen, achten wir darauf, dass die Abweichung der Wertentwicklung im Vergleich zu herkömmlichen Indizes nicht zu groß ist.

Daniel Schär, Leiter der Vermögensverwaltung der Weberbank Actiengesellschaft
Wir schauen ja alle auf das Thema Zinssenkungen wie das Kaninchen auf die Schlange.
Daniel Schär
Leiter der Vermögensverwaltung der Weberbank Actiengesellschaft

Ziehen Sie Plain-Vanilla-Fonds vor? Oder greifen Sie auch zu Strategie-Produkten bis hin zu aktiven ETFs, die mit Modellen auf Marktveränderungen reagieren?

Da sind wir für alle Angebote offen. Es kommt immer auf die Investmentidee an. Wollen wir nur ein Marktexposure, greifen wir zu Plain Vanilla. Aber wollen wir eine Investmentidee umsetzen, schauen wir auch auf Strategie-ETFs. Wenn zum Beispiel ein Portfolio zu wenig Value-Titel hat, dann nutzen wir spezielle ETFs zum Ausgleich. Ähnlich gehen wir im Rentenbereich vor. Was aktive ETFs betrifft, nutzen wir im Aktienbereich gerne sogenannte Enhanced-Produkte als Beimischung. Diese gehen kleine systematische Abweichungen gegenüber klassischen Indizes ein und helfen uns, ein stabiles Alpha zu generieren.

Reicht Ihnen das aktuelle ETF-Angebot? Oder sehen Sie noch Lücken?

Der Markt ist inzwischen ziemlich gut entwickelt. Auch im Rentenbereich hat sich das Angebot deutlich ausgeweitet, seitdem es wieder Zinsen gibt. Wir sehen keine großen Defizite.

Wie steht es um die Nachhaltigkeits-ETFs. Da klagen manche über ein ziemliches Wirrwarr.

In der Tat ist die Auswahl nachhaltiger ETFs ziemlich aufwändig, weil es eben noch zu wenig allgemeingültige Standards gibt. Die Regulatorik hat hier bisher wenig bewirkt bzw. sogar zur Verkomplizierung beigetragen. Da wünschen wir uns mehr Klarheit und Vergleichbarkeit.

Wie gestalten Sie das Risikomanagement? Diversifikation ist ja immer die Grundlage. Aber es gibt ja auch Situationen, in denen man die Investitionsquoten aktiv steuern oder Absicherungsgeschäfte eingehen muss.

Empirische Studien zeigen, dass Timing nicht erfolgreich umsetzbar ist. Man kommt meist zu spät raus und zu spät wieder rein. Das kostet Performance. Auch in schwierigen Marktphasen gibt es immer Segmente, die stabilisierend wirken. So steuern wir das Risiko über die Zusammensetzung der Portfolios. Nehmen wir als Beispiel die Aktienseite. Der Investitionsgrad ist grundsätzlich sehr hoch. Eine aktive Steuerung der Kasse setzen wir nicht um. Unsere Substanzorientierung minimiert das Risiko. Wir analysieren die Portfolios regelmäßig und identifizieren so Auffälligkeiten in der Portfoliokonstruktion. Entsprechend wird dann das Gesamtportfolio adjustiert.

Voll investiert zu sein, war im vergangenen Jahr hervorragend, aber nicht 2022, als Aktien wie Renten kräftig gefallen sind. Da mussten Sie mit Ihrem Ansatz doch Verluste hinnehmen?

2022 war es nicht möglich, Verluste zu vermeiden. Aber durch die Steuerung des Betas, speziell durch die Branchenallokation, haben wir die Verluste begrenzt. Im Rentenbereich haben wir uns stärker kurzfristig orientiert und konnten die Zinsänderungsrisiken weitgehend minimieren.

Und wie sieht es jetzt aus? Die Märkte sind seit Jahresbeginn gut gestiegen. Sind Sie mehr offensiv oder eher defensiv eingestellt?

Wir schauen ja alle auf das Thema Zinssenkungen wie das Kaninchen auf die Schlange. Wie stark diese ausfallen werden, ist unklar, aber ich denke, das Zinshoch haben wir gesehen. Wir gehen davon aus, dass es noch einige Zeit dauert, bis die Notenbanken ihr Zwei-Prozent-Inflationsziel wieder nachhaltig erreichen. Wir positionieren uns insgesamt neutral zu unserer Benchmark. Bei den Renten sehen wir kaum noch attraktive Spreads, speziell im High-Yield-Segment und fokussieren uns eher auf klassische Unternehmensanleihen. Bei den Aktien sehen wir schon ein gewisses zwischenzeitliches Rückschlagspotential. Entsprechend haben wir in den letzten Monaten bei besonders stark gelaufenen Titeln, wie zum Beispiel mit Bezug zum Trendthema künstlicher Intelligenz, Gewinne mitgenommen. Generell gehen wir aber von einer langsamen konjunkturellen Erholung aus. Das sollte den Aktien ein fundamental gutes Grundgerüst verleihen.

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